Rosige kleine Ferkel säugen an den Zitzen der Muttersau. Landwirt Manfred Aue nimmt eins in die Hand, überprüft, ob es gesund ist, streichelt es und setzt es gefühlvoll wieder zurück zur Muttersau. Sein Betrieb in Fürstenzell bei Passau mit insgesamt 3.000 Mutterschweinen, Ferkeln und Mastschweinen ist ein Vorzeigebetrieb, einer der modernsten seiner Art in Bayern.
Trotzdem macht der 48-jährige Landwirt jeden Tag ein Minus. 30 Euro bekommt er für ein kleines Ferkel, das er an einen Mäster verkauft. 50 Euro aber bräuchte er, um seine Kosten zu decken. Bei 10.000 Ferkeln pro Jahr macht das 200.000 Euro Minus pro Jahr.
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Zukunftsprämie statt Ausstiegsprämie
Doch von einer Ausstiegsprämie will Manfred Aue nichts wissen. Solche Prämien gibt es in den Niederlanden für Gebiete, in denen die Umwelt durch einen zu hohen Tierbestand belastet ist. 300 Euro bekommen die Schweinehalter dort pro Mastschwein und 3.000 Euro pro Zuchtsau, die verschwindet.
Der niederbayerische Landwirt fordert, dass das Geld für eine mögliche Ausstiegsprämie lieber als Zukunftsprämie an Landwirte gehen soll, die weitermachen und investieren wollen. Für Umbauten für mehr Tierwohl beispielsweise sollte es seiner Meinung nach Zuschüsse geben. Pläne für den Stallumbau hat er bereits in seinem Computer, aber ob er sie umsetzen kann, ist angesichts der finanziellen Lage fraglich.
Aufgrund der neuen Tierschutznutztierhaltungsverordnung müsste er allein für die Neugestaltung des Zuchtsauenbereichs 2,5 Millionen Euro investieren. Ein Schuldenberg, den Manfred Aue seinen drei Töchtern nicht hinterlassen will.
Mitnahmeeffekte, aber keine Marktentlastung
Laut einer Umfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) unter über 1.000 Schweinehaltern in Deutschland wollen 60 Prozent der Sauenhalter und 40 Prozent der Schweinemäster in den nächsten 10 Jahren aus der Produktion aussteigen. In Bayern liegt der Anteil sogar noch höher. Hauptgründe: die Summe der Auflagen, der fehlende Rückhalt in der Gesellschaft, die Perspektivlosigkeit.
Denen, die aufhören wollen, käme eine Ausstiegsprämie gelegen. Doch das hätte Mitnahmeeffekte zur Folge und würde für die Schweinepreise gar nichts bringen, meint Norbert Schneider, der bei der Landesanstalt für Landwirtschaft zuständig ist für die Ökonomik der Schweineproduktion. Er ist davon überzeugt, dass die Menge an Ferkeln und Schweinen, die in Bayern weniger produziert würde, schnell durch Importe ausgeglichen würden.
Ausstiegsprämien in der Vergangenheit ohne Effekt
Das hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt. So gab es in den 1970er-Jahren eine Abschlachtprämie für Milchvieh zur Reduzierung des so genannten Butterbergs. 732 Mark gab es damals pro Kuh, für maximal 10 Kühe pro Betrieb.
Auch diese Prämie haben damals vor allem die Bauern in Anspruch genommen, die sowieso aufgehört hätten. Die kontinuierliche Steigerung der Milchleistung bei den Kühen hat die geringere Zahl an Tieren aber schnell wieder ausgeglichen.
Absatzprobleme am Weltmarkt
Ferkel- und Schweinepreise sind seit über einem Jahr im Keller, unter anderem wegen der Afrikanischen Schweinepest und den daraus folgenden Exportbeschränkungen für deutsches Schweinefleisch. Gleichzeitig hat China, bisher ein Importland, die Eigenproduktion ausgeweitet. Länder wie Dänemark oder Spanien liefern jetzt nicht mehr nach China, sondern verstärkt nach Deutschland. Die globale Konkurrenz macht den hiesigen Schweinebauern zu schaffen.
Für Manfred Aue ist es ein Problem, dass er als im internationalen Vergleich kleiner Ferkelerzeugerbetrieb auf dem Weltmarkt mithalten muss, aber in anderen Ländern weniger hohe Standards gelten, beispielsweise bei Abgaben, Auflagen, Arbeitsschutz oder Tierwohl. Seit fünf Jahren geht die Zahl der Schweinehalter in Deutschland zurück.
Hoffnung auf neues Programm BayProTier
Ein Lichtblick für bayerische Schweinehalter, die weiter machen wollen, könnte die vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium angekündigte Initiative "BayProTier" sein. Die Details sollen noch vor Weihnachten präsentiert werden.
Geplant ist nach Manfred Aues Informationen keine langfristige Investitionsförderung. Deshalb hofft der niederbayerische Landwirt, dass er finanzielle Unterstützung dafür bekommt, unkompliziert und schnell einen Auslauf und Strohplätze für seine Tiere verwirklichen zu können, ohne dass er Millionenschulden für einen Stallneubau machen muss.
Fünfmal Deutschland bei Discountern
Aldi, die Rewe-Gruppe und Kaufland haben angekündigt, ab 2022 bei Schweinefrischfleisch konsequent auf 5xD umzustellen, also Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung in Deutschland. Das klingt erst mal gut und ist ein Signal für deutsche Ferkelerzeuger und Schweinemäster.
Allerdings macht Frischfleisch weniger als ein Drittel des verkauften Fleisches aus. Zwei Drittel stecken in Wurst und Verarbeitungsware – und da wird auch in Zukunft nicht gekennzeichnet, wo das Fleisch herkommt.
Nur Lidl macht eine Ausnahme: ab Anfang 2022 soll sowohl bei Frischfleisch wie auch bei Verarbeitungsware 5xD gelten. Laut der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands müssten die restlichen Lebensmittelhändler nachziehen und die verarbeitete Ware müsste schnell hinterherkommen.
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