Die Strategie von US-Präsident Donald Trump für Ukraine-Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin hat in Europa teils Kritik und Sorge hervorgerufen. Wie die übrigen Beteiligten die Lage sehen.
Die Position Trumps
US-Präsident Trump und sein Verteidigungsminister Hegseth haben binnen weniger Stunden die Ukraine-Politik der ehemaligen Biden-Regierung zu den Akten gelegt. Hatten Ex-Präsident Joe Biden und die westlichen Unterstützerstaaten der Ukraine an dem Grundsatz festgehalten, Gespräche über die Ukraine würden nur mit der Ukraine geführt, so sagte Trump mit dem russischen Präsidenten am Mittwoch nach eigenen Worten zu, "sehr eng zusammenzuarbeiten" und sich mit Putin voraussichtlich in Saudi-Arabien zu Gesprächen zu treffen. Erst anschließend telefonierte Trump mit dem ukrainischen Präsidenten. Mit Putin werde er sich aber zunächst ohne Selenskyj zusammensetzen, erklärte der US-Präsident.
Der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Kellogg, erklärte inzwischen dem ARD-Hauptstadtstudio, alle drei, Trump, Putin und Selenskyj, müssten am Verhandlungstisch sitzen". Es könne nicht sein, dass Putin Selenskyj als rechtmäßigen ukrainischen Präsidenten nicht anerkenne, so Kellogg. Er forderte von beiden Seiten, sie müssten etwas aufgeben. Der "gesunde Menschenverstand" sage, dass die Ukraine nicht die Kampfkraft habe, um die russische Armee von der Krim zu vertreiben. Aber, so Kellogg, "noch wissen wir nicht, wie Friedensgespräche aussehen werden".
Eine Kehrtwende vollzog Trump auch mit seiner Absage an eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine: "Ich persönlich halte es nicht für sinnvoll", so Trump nach seinem Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Bislang hatte die Nato auf ihren drei Gipfeltreffen nach dem russischen Angriffskrieg der Ukraine die feste Zusage gegeben, dem Land mittelfristig den Weg in das westliche Verteidigungsbündnis zu ermöglichen.
Ebenfalls nahm Trump Abschied von der Zusage von Ex-Präsident Biden und den übrigen Nato-Staaten, wonach die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine wieder vollständig hergestellt werden müsse. Das sei "unrealistisch", erklärte Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth seinen Amtskollegen auf dem Nato-Treffen in Brüssel. Die Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine vor 2014 – also vor der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim durch Russland – sei "ein illusorisches Ziel", sagte Hegseth. Zudem werde es keine US-Truppen in der Ukraine nach einem Waffenstillstand und einem eventuellen Friedensabkommen geben, um die Ukraine vor einem erneuten russischen Überfall zu schützen. Dies sei Aufgabe der Europäer.
Die Position Putins
Wladimir Putin habe in dem Telefonat mit Trump erwähnt, "die Hauptursachen des Konflikts" zu beseitigen, wie der Kreml nach dem Gespräch mitteilte. Putin hatte bereits Wochen vor seinem Angriffskrieg am 24. Februar 2022 Washington und den übrigen Nato-Staaten einen Forderungskatalog vorgelegt, in dem "die Hauptursachen des Konflikts" aus Sicht des Kremls in mehreren Punkten aufgeführt worden waren: keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Rückzug aller Nato-Einheiten aus den Ländern des ehemaligen Warschauer Pakts (von den baltischen Staaten bis zu Rumänien), strikte Neutralität der Ukraine, Anerkennung der Annexion der Krim. Ferner hatte Putin stets verlangt, nur mit einem US-Präsidenten über das Schicksal der Ukraine zu verhandeln – ohne ukrainische Beteiligung.
Nach dem Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus hatte der russische Präsident den US-Präsidenten wiederholt ob seiner Führungsstärke und dessen Haltung gelobt, als einen Mann aus der Geschäftswelt, der pragmatische Lösungen anstrebt. Russland war zudem innerhalb der Vereinten Nationen seit Kriegsbeginn international weitgehend isoliert. Drei Viertel der 193 Mitgliedsstaaten hatten in der UN-Generalversammlung die russische Invasion verurteilt und den Rückzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten gefordert. Nach dem Telefonat mit dem US-Präsidenten ist die außenpolitische Isolierung Russlands faktisch beendet.
Die Position Selenskyjs
Die Ukraine und Europa sollten von künftigen Friedensgesprächen über den Ukraine-Krieg nicht ausgeschlossen werden. Diesen Standpunkt, den der ukrainische Außenminister Sybiha heute bekräftigt hat, dürfte Präsident Selenskyj in seinem Telefonat mit dem US-Präsidenten auch deutlich gemacht haben. Stets hatte Selenskyj darauf bestanden, dass der Grundsatz gelten müsse: keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine. Dies scheint jetzt einzutreten. Seit dem Amtsantritt Trumps hatte Selenskyj gegenüber dem US-Präsidenten dafür geworben, dass jede Friedensregelung felsenfeste Sicherheitsgarantien für die Ukraine beinhalten müsse. Die Perspektive einer Nato-Mitgliedschaft, die in der ukrainischen Verfassung verankert ist, sei die beste Garantie dafür, dass sein Land nach einem Friedensschluss nicht noch einmal von Russland überfallen werde.
Trump, so berichtete Selenskyj nach seinem Telefonat mit dem US-Präsidenten, hätte ihm Einzelheiten seines Gesprächs mit Putin mitgeteilt. Gehofft hatte Selenskyj aber, dass sich Trump vor der Kontaktaufnahme mit dem Kreml mit ihm, Selenskyj, abstimmen würde. Stattdessen schrieb der ukrainische Präsident auf dem Kurznachrichtendienst X: "Wir haben vereinbart, weiter in Kontakt zu bleiben und bevorstehende Treffen vorzubereiten."
Selenskyj war der Aufforderung Trumps nachgekommen, im Gegenzug zur amerikanischen Unterstützung den USA die Bodenschätze der Ukraine zukommen zu lassen, vor allem die reichhaltigen Vorkommen an seltenen Erden. Trumps Finanzminister hatte am Mittwoch Selenskyj in Kiew aufgesucht, um die Details zu besprechen. Ehemalige US-Diplomaten sehen die Position des ukrainischen Präsidenten durch Trumps Vorgehensweise massiv geschwächt: "Warum gibt die Trump-Administration Geschenke an Putin – ukrainisches Staatsgebiet und keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine – noch bevor überhaupt die Verhandlungen beginnen?", fragte der frühere US-Botschafter der Obama-Regierung in Kiew, Michael McFaul auf X. Er habe mit den Russen verhandelt und könne nur sagen: "Man gibt ihnen nie etwas umsonst ab."
Im Video - Politologe Masala: "Russland wird die Nato testen"
Carlo Masala
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!