Die Türkei feiert heute die Gründung der Republik vor 100 Jahren durch Mustafa Kemal Atatürk. Präsident Recep Tayyip Erdoğan legte in der Hauptstadt Ankara einen Kranz am Mausoleum Atatürks, Anıtkabir, nieder. Im ganzen Land gibt es Feierlichkeiten. Erdoğan wird sich u.a. mit Botschaftern und hochrangigen Behördenvertretern im Präsidentenpalast treffen. Am Nachmittag ist die Teilnahme an einer Prozession mit Militärschiffen im Bosporus in Istanbul geplant. Anschließend soll es unter anderem eine Drohnen- und Feuerwerksshow geben.
Atatürk: Reformen und säkularer Kurs
Atatürk hatte am 29. Oktober 1923 - gut ein Jahr nach dem offiziellen Ende des Osmanischen Reiches - die Republik ausgerufen. Er setzte Reformen nach westlichem Vorbild und einen streng säkularen Kurs, also die Trennung von Religion und Staat, durch.
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Frauen erhielten in den 30er Jahren das aktive und passive Wahlrecht und können damit wählen und auch gewählt werden. Das arabische Alphabet wurde durch das lateinische ersetzt. Bis heute besteht ein Personenkult um Atatürk (auf Deutsch etwa: Vater der Türken). In türkischen Schulen, Büros und Wohnhäusern sind Fotos von ihm noch heute an der Wand zu sehen. Umstritten ist er unter anderem wegen seiner Minderheitenpolitik.
Mangel an Pomp - Kritik an Erdoğan
Viele in der Türkei werfen Erdoğans islamisch geprägter Regierung vor, das Vermächtnis von Atatürk zu missachten, der hinter der Gründung der säkularen Republik steht. Der Mangel an Pomp zur Jahrestagsfeier sei ein Versuch, die Erinnerung an den Staatsgründer zu löschen. Es wurde erwartet, dass Erdoğan in einer Rede am Jahrestag angebliche Errungenschaften seiner Regierung in den vergangenen 20 Jahren anführt. Der Sender TRT gab bekannt, wegen des Kriegs zwischen Israel und der Hamas streiche er Sonderprogramme zum Jahrestag.
Die Oppositionspolitikerin Meral Akşener warf der Regierung vor, dafür gesorgt zu haben, dass die Jahrestagsfeier eine Enttäuschung sei. "Es gibt diejenigen, die nach 100 Jahren noch immer ein Problem mit unserer Republik haben", sagte sie. Sie mutmaßte, dass eine große pro-palästinensische Kundgebung mit Erdoğan am Samstag extra dafür organisiert worden sei, die Jahrestagsfeierlichkeiten zu überschatten. Ein Kolumnist der regierungsnahen Zeitung "Hürriyet", Ahmet Hakan, argumentierte hingegen, die Feier habe angesichts des israelischen Vorgehens im Gazastreifen klein gehalten werden müssen.
Israel ruft diplomatische Vertreter aus der Türkei zurück
Am Samstag hatte ERdogan auf einer pro-palästinensischen Demonstration in Istanbul gesagt, Israel sei nur "eine Schachfigur" in der Region, die, "wenn der Tag kommt", geopfert werde. Das Land begehe "Kriegsverbrechen". Zugleich warf er "westlichen Regierungen" vor, hauptsächlich für die "Massaker" im Gazastreifen verantwortlich zu sein. Erdoğan sieht in der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas keine Terrororganisation, sondern eine "Gruppe von Befreiern", die ihr Land verteidigt. Israel hat deshalb seine diplomatischen Vertreter aus der Türkei zurückbeordert.
Mit Informationen von AP und dpa
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