Keine Beteiligung der Ukraine und Europas an initialen Friedensgesprächen, keine US-Soldaten in einer möglichen Friedenstruppe, Gebietsabtretungen der angegriffenen Ukraine: Die letzten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump nach seinem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin haben europäischen Hoffnungen auf ein "Machtwort" des neuen US-Präsidenten in Sachen Ukraine einen Dämpfer versetzt. Die Reaktionen am Rande eines Treffens des Nato-Rats in Brüssel: besorgt bis zweckoptimistisch.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte übte sich in Diplomatie. "Wir werden sehen, wie sich das jetzt entwickelt", sagte er. Entscheidend sei, dass die Ukraine eng in alles eingebunden werde. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Großbritanniens, Spaniens und Italiens verlangten, die Ukraine und Europa müssten "Teil jeglicher Verhandlungen sein".
Rutte: Minsker Abkommen als warnendes Beispiel
Rutte betonte, wenn ein Friedensabkommen geschlossen werde, müsse sichergestellt werden, dass es Bestand habe. Putin müsse verstehen, "dass dies das Ende ist, dass er niemals wieder versuchen kann, ein Stück der Ukraine zu erobern", sagte der frühere niederländische Regierungschef.
Rutte erinnerte dabei an das Scheitern des Minsker Abkommens nach der russischen Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim im Jahr 2014. "Putin hat danach einfach weiter versucht, Teile der Ukraine an sich zu reißen", sagte er. "So etwas darf sich niemals wiederholen." Er, Rutte, habe keinen Zweifel, dass dies auch Präsident Trump und seinem Team bewusst sei.
Baerbock fordert Sicherheitsgarantien
Außenministerin Annalena Baerbock forderte starke Sicherheitsgarantien für Kiew, um einen möglichen Frieden langfristig abzusichern. Wichtig sei, Washington deutlich zu machen, "dass es auch für die Amerikaner ein Interesse an einem starken Europa gibt."
Mit Blick auf das Telefonat Trumps mit Putin sagte Baerbock, der Anruf sei "sehr aus der Kalten heraus" gewesen. Das sei "nun eben die Art und Weise, wie diese Trump-Administration agiert." Deswegen müsse man in Dauerkontakt mit allen Akteuren sein.
Pistorius: Europa darf nicht "am Katzentisch sitzen"
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der auch am Nato-Rat in Brüssel teilnahm, bedauerte, dass die Regierung Trump "vor Beginn von Verhandlungen öffentlich Zugeständnisse gemacht" habe. Es wäre "besser gewesen, über eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine oder über mögliche Gebietsverluste des Landes erst am Verhandlungstisch zu sprechen."
Pistorius mahnte zudem eine Beteiligung der Europäer bei möglichen Gesprächen. "Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten." Es müsse auch klar sein, dass eine Präsenz der USA in Europa erforderlich sei.
Ukraine-Friedenstruppe derzeit "kein Thema"
Zu einem möglichen Einsatz von Truppen zur Absicherung eines Friedens in der Ukraine sagte Pistorius, diese Debatte komme ihm jetzt zu früh. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Jeder weiß, dass das kein Thema jetzt ist", sagte Scholz in einem Podcast des Nachrichtenportals Politico. Außenministerin Baerbock regte eine internationale Blauhelm-Mission an, der im UN-Sicherheitsrat allerdings auch Amerikaner, Russen und Chinesen müssten.
Was Trump und Putin am Telefon besprochen haben
Kurz vor dem dritten Jahrestag des russischen Angriffs hatte US-Präsident Trump am Mittwoch sowohl mit Kremlchef Putin als auch mit dem ukrainischen Staatschef Selenskyj telefoniert.
Ein persönliches Treffen in Saudi-Arabien von Trump und Putin soll bald folgen - ohne Beteiligung der Ukraine und Europas. Die Ukraine solle ihr Streben nach einem Nato-Beitritt aufgeben; US-Soldaten würden nicht Teil einer möglichen Friedenstruppe sein. Zudem kündigte der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel an, die Ukraine müsse sich darauf einstellen, für einen Frieden Gebiete an Russland abzutreten.
Vorentscheidung in München?
Mit Spannung wird nun die Münchner Sicherheitskonferenz erwartet. Am Freitag treffen dort Trumps Vizepräsident J.D. Vance und US-Außenminister Marco Rubio mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zusammen. "Ich habe vor drei Tagen noch gesagt, ich erwarte auf der Münchner Sicherheitskonferenz keinen Friedensplan. Dessen bin ich mir heute nicht mehr sicher", sagte Pistorius. "Im Augenblick leben wir in Zeiten, in denen wir heute nicht sagen können, womit wir morgen rechnen."
Mit Material von dpa
Audio: Reaktionen aus der Ukraine
Wolodymyr Selenskyj
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