ARCHIV - 07.04.2024, Hamburg: Ein Kran steht auf einer Baustelle, an der ein Gerüst steht. (zu dpa: «Neubau-Sozialwohnungen werden deutlich teurer») Foto: Daniel Bockwoldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Bockwoldt
Audiobeitrag

Trotz zunehmender Fördergelder vom Bund nimmt der Bestand an Sozialwohnungen ab.

Audiobeitrag
> Wirtschaft >

In Deutschland fehlen 550.000 Wohnungen: Schere wird größer

In Deutschland fehlen 550.000 Wohnungen: Schere wird größer

Dass in Deutschland Wohnungen fehlen, ist bekannt. Das Pestel-Institut hat nun neue Zahlen, die den Mangel belegen. Demnach gibt es aktuell 550.000 Wohnungen zu wenig. Die Lage dürfte sich eher verschärfen, vor allem bei Sozialwohnungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Hohe Baukosten und rasant gestiegene Zinsen belasten seit Jahren den Immobilienmarkt. Im vergangenen Jahr wurden 250.000 Wohnungen fertiggestellt. Viel zu wenige, wenn man sich das Ziel der Bundesregierung anschaut: Die Ampel wollte 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 neue Sozialwohnungen.

Notstand vor allem bei Sozialwohnungen

Vom Verbändebündnis "Soziales Wohnen" wurde 2019 erstmals das Ziel geäußert, dass Deutschland bis 2030 zwei Millionen Sozialwohnungen haben sollte. Im Jahr 2023 waren es etwas mehr als eine Million (1.072.266). Im Jahr 2024 hat sich nicht viel getan, heißt es beim Pestel-Institut, einem Forschungsinstitut aus Hannover, das vor allem Kommunen berät.

In Bayern sieht es nicht viel anders aus: Laut Pestel-Institut gibt es knapp 135.000 Sozialwohnungen im Freistaat, bis 2030 sollten es 328.200 sein. In einigen Bundesländern ist den Daten nach die Situation etwas besser, in anderen dagegen schlechter, zum Beispiel in Baden-Württemberg.

Grafik: Wieviele Sozialwohnungen müssen bis 2030 hinzukommen?

Sozialwohnungen fallen aus der Bindung

Dabei ist zu bedenken: Es muss nicht nur die Lücke geschlossen werden. Es müssen auch die Sozialwohnungen ausgeglichen werden, die durch das Auslaufen von Bindungen aus dem Bestand herausfallen. Um die zwei Millionen im Jahr 2030 noch zu erreichen, müssten daher pro Jahr 210.000 Wohnungen durch Neubau, Modernisierung und den Ankauf von Belegrechten geschaffen werden.

Und selbst wenn dieser Zielwert erreicht wird, wäre nur die gröbste Not gelindert, sagt der Chef-Ökonom des Pestel-Instituts Matthias Günther. Würde der Staat die Menschen, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, tatsächlich versorgen, dann wären bundesweit sogar rund 5,6 Millionen Sozialwohnungen notwendig, so Günther.

Trotz höherer Förderung nicht mehr Sozialwohnungen

Der Bund hat die Förderung von sozialem Wohnungsbau zuletzt deutlich aufgestockt, von einer Milliarde 2021 auf mehr als drei Milliarden Euro im Jahr 2024.

Grafik: Mehr Finanzhilfen vom Bund

Doch es reicht nicht. Denn es werden nicht mehr sondern weniger Sozialwohnungen gebaut. Beim Pestel-Institut macht man sich deshalb für eine "deutliche Erhöhung der Mittel durch Bund und Länder" stark.

Grafik: In den meisten Bundesländern nimmt der Sozialwohnungs-Bestand ab

Experte: Geringere Baukosten möglich

Ein Hauptgrund für die Entwicklung dürften die gestiegenen Baukosten sein. Allerdings ist die Frage, ob man überhaupt mehr Mittel braucht. So meint der Chef des Kieler Bauforschungsinstituts ARGE, Professor Dietmar Walberg, dass man auch günstiger Sozialwohnungen in guter Qualität bauen könne. Die reinen Baukosten ließen sich um bis zu ein Drittel senken.

Wichtig dabei sei, dass der Sozialwohnungsbau im Sparmodus die geltenden Bauvorschriften auf Punkt und Komma berücksichtige. Den Experten zufolge gibt es in den Bundesländern aber auch viel zu viele Förderprogramme, von denen man erst einmal prüfen muss, ob sie sich kombinieren lassen. Wenn es Programme gibt, muss man zudem offensichtlich schnell sein. Sie seien schnell überbucht, so die Kritik des Pestel-Instituts. Das Vertrösten auf das nächste Jahr bringe Investoren mit Grundstück und fertiger Planung wenig.

Unterschiedliche Parteiprogramme zur Linderung der Not

Die Parteien schlagen verschiedene Lösungen vor. Die SPD will unter anderem eine unbefristete Mietpreisbremse. Die Union (CDU/CSU) schlägt vor, das Bauordnungs- und Raumordnungsrecht zu entschlacken. Die Grünen wollen die Mietpreisbremse verlängern und Mieter bei Eigenbedarfskündigung oder Mietschulden besser schützen. Die FDP möchte die Mietpreisbremse dagegen auslaufen lassen. Die AfD spricht sich dafür aus, den sozialen Wohnungsbau einzustellen und einkommensschwächere Mieter mit Wohngeld zu fördern. Die Linke plant, Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen zu verstaatlichen und leerstehenden Wohnraum beschlagnahmen zu lassen.

Kritisches Fazit vom Pestel-Institut

Die Vorschläge der Parteien halten die Wissenschaftler vom Pestel-Institut für insgesamt "wenig" konkret, um die Lage am Markt zu entspannen. Die Parteien bewegten sich zwischen "mehr Markt" und "mehr Regulierung". Ein Ansatz für einen echten Wandel sei nicht zu erkennen, so das abschließende Urteil der Studie. Der Chef-Ökonom warnt, die Wohnungsnot habe bereits jetzt Einfluss auf die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!