Um die Gegenoffensive gegen Russland weiter vorantreiben zu können, wünscht man sich beim ukrainischen Militär schon länger Streumunition. Das sind Raketen oder Bomben, die in der Luft gezündet werden und eine große Zahl von Sprengkörpern freisetzen, um auf diese Weise mehrere Ziele gleichzeitig treffen zu können. Die USA sind nun bereit, diese umstrittenen Geschosse zu liefern - eine Entscheidung, die US-Präsident Joe Biden offenbar nicht leicht gefallen ist.
Biden räumt Zweifel ein
Zwar hätten die USA den Vertrag zur Ächtung von Streumunition nie unterzeichnet und es habe eine Weile gedauert, bis er von der Lieferung an die Ukraine überzeugt gewesen sei. Er halte ihn aber für notwendig, so Biden, weil die Ukraine die Munition für ihre Gegenoffensive gegen Russland benötige. Zudem habe man darüber mit Verbündeten und Mitgliedern des US-Kongresses gesprochen.
Er sprach außerdem bei CNN davon, Streumunition "nicht dauerhaft, sondern für eine Übergangszeit" zu liefern. So habe es das US-Verteidigungsministerium auch empfohlen. Hintergrund sei, dass die USA derzeit nur noch wenig Munition hätten. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte: "Es ist eine Entscheidung, die wir aufgeschoben haben."
Man sich bewusst, dass Streumunition das Risiko berge, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen. Allerdings setze Russland seinerseits seit Kriegsbeginn Streumunition ein. Die Ukraine habe sich zudem zu Minenräumungsmaßnahmen verpflichtet, um möglichen Schaden für die Zivilbevölkerung zu mindern.
Streumunition Teil des neuen Hilfspakets
Die Streumunition ist Teil eines neuen US-Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar, umgerechnet rund 729 Millionen Euro. Der Einsatz von Streumunition ist hoch umstritten, da sie wegen einer hohen Blindgänger-Quote berüchtigt dafür ist, auch zivile Opfer zu fordern. Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz produzieren einige Arten von Streumunition bis zu 40 Prozent Blindgänger.
Pentagon-Sprecher Pat Ryder hatte vorab erklärt, sein Ministerium verfüge über mehrere Varianten der Munition. Und unter jenen, über deren Lieferung das Pentagon nachdenke, seien keine alten Sorten mit Blindgängerquoten, die höher als 2,35 Prozent lägen. Man werde sorgsam darauf achten, Munition mit einer niedrigen Blindgängerrate auszuwählen, für die es aktuelle Testdaten gebe.
Der Pentagon-Sprecher gab an, dass die Streumunition durch ihre Fähigkeit, mehrere Ziele gleichzeitig treffen zu können, für "jede Art von Gegenoffensive hilfreich wäre". Ryder zufole setzt Russland Streumunition mit einer hohen Blindgänger-Quote ein.
Kritik an den USA auch aus Deutschland
Ungeachtet dessen gibt es viel Kritik an den Plänen der USA. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte, er lehne die Lieferung von Streumunition ab. Diese sei zurecht geächtet. Auch der Bremer Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) sieht eine Grenze überschritten. Der Zweck heilige eben nicht jedes Mittel, schrieb er auf Twitter. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wollte die Entscheidung der USA nicht kommentieren. Für Deutschland sei es keine Option, Streumunition zu liefern. Man habe ein Abkommen unterzeichnet, das es verbietet, diese Munition herzustellen, zu besitzen oder weiterzugeben.
UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, er lehne es ab, "dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird". Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, äußerte starke Vorwürfe und bezeichnete die geplante Lieferung als "Geste der Verzweiflung". Die USA seien "so besessen" von dem Gedanken, Russland eine Niederlage zuzufügen, dass sie "die Schwere ihrer Handlungen" nicht berücksichtigten. Die USA brächten die Menschheit näher an einen neuen Weltkrieg, zitiert das russische Außenministerium Antonow. Die USA hätten Schuld daran, dass nicht explodierte Sprengkörper Zivilisten noch über Jahre gefährden würden.
Mit Informationen von dpa
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