Das Wichtigste zuerst: Eine Umfrage ist nur eine Umfrage. Das betonen Meinungsforschungsinstitute wie Infratest dimap immer wieder. Abgefragt wird eine Wahlabsicht, eine politische Stimmung an einem bestimmten Zeitpunkt. Rückschlüsse auf das Wahlverhalten? Bedingt möglich. In der Gesamtschau zeigen sich aber Entwicklungen, die mit Blick auf die Bundeswahl am Sonntag interessant sind. Eine Reise durch die ARD-DeutschlandTrends von 2021 bis heute.
Sonntagsfrage: CDU und CSU seit gut drei Jahren vorne
Betrachtet man alle Erhebungen der vergangenen vier Jahre, wird klar: Der Wahlerfolg der SPD bei der zurückliegenden Bundestagswahl fiel in ein vergleichsweise kleines Zeitfenster, in dem die Sozialdemokraten auch im ARD-DeutschlandTrend vorne lagen – von September 2021 bis Januar 2022. Seitdem ist die Union in der Sonntagsfrage vor der SPD, anfangs nur knapp, seit Sommer 2022 meist mit zehn Prozentpunkten oder mehr.
Ihren höchsten Wert im genannten Zeitraum hatten CDU und CSU im November 2023, als sie im DeutschlandTrend auf 34 Prozent kamen. Ihren niedrigsten Wert hatte die Union mit 20 Prozent kurz vor dem Urnengang im September 2021. Zuletzt waren es 32 Prozent.
SPD: Zuletzt historisch niedriger Wert für eine Kanzlerpartei
Die SPD wiederum verlor ihren zweiten Platz im Sommer 2022 zwischenzeitlich an die Grünen, später dann und bis heute an die AfD. Die Sozialdemokraten um Bundeskanzler Olaf Scholz erreichten jüngst in der Sonntagsfrage 14 Prozent – ein historisch schlechter Wert für eine Kanzlerpartei. Der höchste SPD-Wert der vergangenen vier Jahre betrug 27 Prozent im November 2021, der niedrigste Wert lag (mehrmals) bei 14 Prozent.
AfD: Seit Mitte 2023 auf Rang zwei im DeutschlandTrend
Die AfD konnte ihren Umfragewert in den vergangenen vier Jahren verdoppeln. Seit Mitte 2023 landete die Partei in der Sonntagsfrage des DeutschlandTrends auf Rang zwei. Ihren höchsten Wert erzielte die AfD mit 23 Prozent im Oktober 2023. Im Jahr 2021 lag sie mehrmals bei 10 Prozent.
Grüne: Deutliche Verluste nach Zwischenhoch 2022
Die Grünen haben dagegen während ihrer Ampel-Regierungszeit in der Sonntagsfrage deutlich verloren. Im Mai 2021 lag die Partei noch bei 26 Prozent. Auch als Regierungspartei hatten sie ein Zwischenhoch mit bis zu 23 Prozent – wie erwähnt im Sommer 2022. Seit gut eineinhalb Jahren liegen die Grünen zwischen 11 und 15 Prozent.
Interaktive Grafik: Die Sonntagsfrage seit Januar 2021
Bundestag: Die FDP muss um den Einzug zittern
Ähnlich wie den Grünen erging es dem dritten Ampel-Koalitionspartner, der FDP. Die Liberalen profitierten in der Sonntagsfrage ebenfalls nicht von ihrer Regierungsbeteiligung. Die FDP liegt seit eineinhalb Jahren zwischen 3 und 5 Prozent. Die Partei muss also wegen der Fünf-Prozent-Hürde um den erneuten Einzug ins Parlament zittern. Das war nicht immer so: Im Jahr 2021, kurz vor und nach der Bundestagswahl, lag die FDP mehrmals bei 13 Prozent.
Linke und BSW: Für beide wird es wohl ein knappes Rennen
Die Linke kam im DeutschlandTrend seit rund einem Jahr auf 3 Prozent oder weniger. Zuletzt kletterte die Partei in der Sonntagsfrage – auf jüngst 6 Prozent. Beim Anfang 2024 gegründeten Bündnis Sahra Wagenkecht (BSW) ging es zuletzt dagegen in der repräsentativen Umfrage von Infratest dimap bergab. Nach bis zu 9 Prozent im vergangenen Sommer kam das BSW im letzten DeutschlandTrend vor der Wahl auf 4,5 Prozent.
Die Freien Wähler, deren Chef Hubert Aiwanger in den Bundestag möchte, tauchten nur zweimal in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde auf – beide Male Ende 2023 mit jeweils 4 Prozent.
Bei der Interpretation der Zahlen im DeutschlandTrend ist aber wichtig: Die Schwankungsbreite beträgt in der Regel rund zwei Prozentpunkte. Bei einem Unterschied von einem oder zwei Prozentpunkten zur vorherigen Umfrage kann also noch nicht wirklich von einer "Entwicklung" gesprochen werden – sondern die Veränderung liegt im Bereich der errechneten statistischen Unsicherheit. Mehr über Umfragen und ihre Schwachpunkte finden Sie hier.
Welchen Einfluss haben Umfragen auf die Wahlentscheidung?
Welchen Einfluss Umfragen und die Sonntagsfrage auf die Wahlentscheidung haben, ist umstritten. Zweifel hat etwa der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim. Direkte Effekte seien in Deutschland nicht nachgewiesen, erklärte er vor einigen Jahren über die Bundestagswahlen 2005 bis 2017. Laut ihm "gaben jeweils weniger als 5,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler an, dass für ihre Wahlentscheidung Umfragen eine große Rolle gespielt hätten".
Andere Sozialwissenschaftler wie Ingo Rohlfing von der Uni Passau sehen das nicht so. "Wahlumfragen können durchaus Einfluss haben auf die Wahl", sagt Rohlfing. Es gebe beispielsweise die Vermutung, dass Wahlberechtigte "lieber für eine Partei stimmen, für die der Einzug in den Bundestag wahrscheinlich oder gesichert ist". Mehr zu Wahlumfragen und ihrer Wirkung lesen Sie hier.
- Zum Artikel: Ampel-Aus – das verraten die ARD-DeutschlandTrends
Interaktive Grafik: Die Sonntagsfrage seit Januar 2021 (Einzelansicht Parteien)
Zum Audio: Letzter ARD-DeutschlandTrend vor der Bundestagswahl
ARD-DeutschlandTrend vom 13. Februar 2025: Sonntagsfrage zur Bundestagswahl
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