Jeder Mensch darf selbst entscheiden, ob er Medikamente nimmt oder nicht. Nur im Ausnahmefall ist eine ärztliche Zwangsbehandlung möglich: Unter anderem, wenn Patienten die Einsichtsfähigkeit fehlt und ein erheblicher Schaden für die Gesundheit droht.
Bislang war vorgeschrieben, dass medizinische Zwangsmaßnahmen nur stationär in einem Krankenhaus stattfinden dürfen. Das soll sich bis Ende 2026 ändern: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied, dass rechtlich Betreute in Ausnahmen auch ambulant zwangsbehandelt werden dürfen.
Retraumatisierung durch medizinische Zwangsmaßnahmen
Eine Ausnahme gilt demnach, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Der betreuten Person droht bei der Behandlung im Krankenhaus eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer körperlichen Unversehrtheit. Und dieses Risiko lässt sich bei der Behandlung am eigenen Wohnort deutlich reduzieren. Zudem muss eine gute medizinische Versorgung vor Ort gegeben sein.
Hintergrund des Verfahrens: Der rechtliche Betreuer einer Frau war gegen die bisherige Regelung vor den Bundesgerichtshof (BGH) gezogen. Die Frau würde bei medizinischen Zwangsmaßnahmen in der Klinik retraumatisiert, gab er an.
In der Vergangenheit habe sie teils fixiert werden müssen und einen Spuckschutz bekommen, um zur zwangsweisen Behandlung in die Klinik gebracht zu werden. Rechtlich betreut werden Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht alles selbst entscheiden können.
In Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar
Der BGH hatte den Fall dem Verfassungsgericht vorgelegt. Er war der Ansicht, dass es Grundrechte von Patienten verletzen kann, wenn nur in Kliniken zwangsbehandelt wird. Oft sei die Behandlung in der gewohnten Umgebung weniger belastend für die kranken Menschen.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht nun fest, dass die bisherige gesetzliche Regelung zum Teil mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Sie muss nun bis Ende 2026 geändert werden und Ausnahmen zulassen, entschied das Gericht.
Mit Informationen von AFP und KNA.
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