War es ein "Spionageballon" oder ein "ziviles Luftschiff"? Die Sichtung eines Objekts führt jedenfalls zu neuen Schwierigkeiten in der Beziehung zwischen den USA und China. Das US-Militär wirft Peking vor, einen großen Spionageballon über dem Norden der Vereinigten Staaten platziert zu haben. China erklärte am Freitag nach längerem Zögern, dass es sich um ein chinesisches Flugobjekt handele, das aber lediglich wissenschaftlichen Zwecken diene und versehentlich von seiner Flugbahn abgekommen sei.
Blinken sagt Reise ab
Der Vorfall hat Konsequenzen: US-Außenminister Antony Blinken sagte eine fürs Wochenende geplante Reise nach Peking ab, trotz der beschwichtigenden Erklärung aus China. Der Besuch solle zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden, sobald die Umstände dies zuließen, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Außenministeriums am Freitag. Eigentlich hätte Blinken noch am Freitag aufbrechen sollen.
Auch Biden informiert - Abschuss erwogen
Nach Angaben des Pentagons wurde der Ballon bereits am Mittwoch über dem nordwestlichen US-Bundesstaat Montana entdeckt. Vor ein paar Tagen sei er in den Luftraum der USA eingedrungen. Seine Flugbahn werde genau verfolgt. Ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sagte, Ressortchef Lloyd Austin habe deshalb die Führungsriege des Pentagons zusammengetrommelt. Auch Präsident Joe Biden sei informiert worden und habe militärische Optionen erbeten.
Es sei erwogen worden, den Ballon abzuschießen, sagte der Beamte. Provisorisch wurden demnach auch F-22-Kampfjets in Bereitschaft versetzt und der Flugverkehr in Montanas größter Stadt Billings vorübergehend eingestellt. Wegen der Gefahr durch herabfallende Trümmer sei am Ende aber die Entscheidung gefallen, den Ballon nicht zu zerstören. Es seien allerdings diverse Vorkehrungen getroffen worden, um sensible Informationen zu schützen.
"Nur einen begrenzten Zusatznutzen für Informationsbeschaffung"
In Montana befindet sich eine Atomraketenanlage der USA. "Derzeit gehen wir davon aus, dass dieser Ballon nur einen begrenzten Zusatznutzen für die Informationsbeschaffung hat", hieß es aus dem Pentagon. Schon in der Vergangenheit habe es ähnliche Vorfälle gegeben. Diesmal halte sich der Ballon aber länger als sonst über den USA auf. Er stelle keine militärische Bedrohung oder Gefahr für Menschen am Boden dar. Auch für Flugzeuge sei der Ballon aufgrund seiner extremen Flughöhe ungefährlich.
Der Pentagon-Beamte sagte, die US-Regierung habe Peking auf verschiedenen Kanälen kontaktiert. "Wir haben ihnen deutlich gemacht, wie ernst wir diese Sache nehmen."
Erklärung aus China: "Ziviles" Luftschiff
Die chinesische Regierung erklärte am Freitag zunächst, sie gehe den Berichten nach und warnte vor übereilten Spekulationen. "Wir sammeln und überprüfen die Fakten", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning. Später folgte eine weitere Erklärung: Das chinesische Außenministerium wies den Spionagevorwurf zurück, räumte aber eine gewisse Grenzüberschreitung ein. Es habe sich um ein "ziviles" chinesisches Luftschiff für Forschungszwecke vor allem meteorologischer Art gehandelt, das wegen beschränkter eigener Steuerungsfähigkeit durch starke Westwinde "weit von seinem geplanten Kurs abgekommen" sei. Ein Ministeriumssprecher fügte hinzu: "China bedauert den unerwarteten Eintritt in den Luftraum der USA durch höhere Gewalt."
Aus den Reihen der Republikaner kamen laute Forderungen nach einer härteren Gangart gegenüber Peking. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sprach von einer "dreisten Missachtung der US-Souveränität". Biden dürfe zu dieser "destabilisierenden Aktion" nicht schweigen.
Angespanntes Verhältnis zwischen USA und China
Die Beziehungen zwischen den USA und China sind sowieso schon schwer angespannt. Streitpunkte sind vor allem Chinas Rückendeckung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, die chinesischen Drohungen gegen Taiwan, die umstrittenen Ansprüche Pekings im Südchinesischen Meer, der Handelskrieg und amerikanische Exportkontrollen für Hochtechnologie. China wiederum wirft den USA vor, seinen Aufstieg eindämmen zu wollen und einen neuen Kalten Krieg zu verfolgen.
Mit Informationen von dpa, AFP und AP
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