Die rote Welle für die Republikaner ist ausgeblieben. Die Partei wird aller Voraussicht nach im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit von vermutlich nur fünf Sitzen erobern. Der Vorsprung ist damit deutlich geringer ausgefallen als von beiden Lagern angenommen. Im Senat läuft alles auf ein Kopf-Kopf-Rennen hinaus. Gut möglich, dass die Demokraten in dieser Parlamentskammer ihre hauchdünne Mehrheit behalten werden. In vier Wochen kommt es in Georgia zur Stichwahl über den alles entscheidenden Senatssitz zwischen dem Demokraten Raphael Warnock und seinem republikanischen Herausforderer Herschel Walker.
Großer Verlierer: Donald Trump
Der große Verlierer heißt aber Donald Trump. Er hat im Hintergrund vielfach die Fäden gezogen und Kandidaten unterstützt, die seine Lüge von der "gestohlenen Wahl" weiterverbreitet haben. Sicherere Gewinne hat bei den Republikanern aber nicht das rechte Lager eingefahren, sondern gemäßigte Konservative wie der wiedergewählte Gouverneur von Georgia, Brian Kemp.
Die zum Teil unerfahrene Kandidatenriege von Trumps Gnaden ist nach Meinung der Wahlforscher dem US-Wahlvolk eher suspekt gewesen oder, anders ausgedrückt, die republikanische Basis will die verlorene Wahl 2020 und die damit verbundene "Big Lie" (die große Lüge) hinter sich lassen. Nur einer weigert sich das zu tun: Donald Trump.
Kommt Trump als Präsidentschaftskandidat trotzdem?
Die Antwort lautet: sehr wahrscheinlich. Denn die Chancen der Republikaner, mit einem Kandidaten Trump zu gewinnen, sind größer als mit dem eigentlichen Wahlsieger des Abends: dem wiedergewählten Gouverneur von Florida Ron DeSantis.
Trump kostet die Republikaner die gebildeten Wählerinnen und Wähler in den Vorstädten. Er begeistert dafür aber die Wähler mit niedrigem Bildungsstand. Ob das Ron DeSantis schaffen kann, der bei den Republikanern als "intelligentere" Ausgabe von Trump gilt, ist eher unwahrscheinlich.
Verkrustete Wählerlager
Das Ergebnis offenbart aber auch, wie starr die beiden politischen Lager geworden sind. Es scheint kaum Wählerwanderungen zwischen den beiden Parteien zu geben. In jedem Wahlkampf kommt es also darauf an, die jeweilige Basis zu aktivieren.
Die Demokraten haben das mit dem Themen "Demokratie in Gefahr" und dem Abtreibungsrecht geschafft. Die Republikaner haben auf die Themen Sicherheit und Inflation gesetzt. Was aber nicht verfangen hat, war "The Big Lie".
Tritt Joe Biden nochmals an?
Am Tag nach der Wahl hat er genau dies in Aussicht gestellt. Im Januar, so Biden, wolle er sich dazu definitiv erklären. Die Beliebtheit des bald 80-Jährigen ist auf einem Tiefpunkt. Dennoch scheint er einiges richtig gemacht zu haben: Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Benzinpreise sind am Fallen und die Ukraine-Krise hat er gut gemeistert. Das sorgt für ein Grundvertrauen unter den Demokraten und könnte ihm - trotz hohen Alters und schlechter Beliebtheitswerte - die Kandidatur sichern.
Alles easy für Biden?
Auch wenn US-Präsident Joe Biden jetzt aufatmen kann, mit dem voraussichtlichen Ausgang der Wahl ist das Leben für ihn und seine Regierung nicht leichter geworden. Das Repräsentantenhaus ist verloren, den Senat dürfte er, wenn die Stichwahl in vier Wochen zugunsten der Demokraten ausgeht, behalten. In den kommenden zwei Jahren dürfte er mit so manchem Untersuchungsausschuss rechnen und ebenso harten Verhandlungen und Kompromissen beim Thema Klimaschutz, Immigration und Ukraine-Krieg.
- Zum Artikel "Biden will im Januar über erneute Kandidatur entscheiden"
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