Nach immer neuen Schusswaffenattacken in den USA hat Präsident Joe Biden den Kongress erneut eindringlich zu einer Verschärfung des Waffenrechts aufgefordert. "Genug, genug", rief Biden in einer Ansprache an die Nation am Donnerstag im Hinblick auf die Waffengewalt im Land.
Biden will schärferes Waffenrecht
Schulen, Supermärkte und andere Alltagsorte seien zu "Schlachtfeldern" geworden. Falls die Abgeordneten nicht handeln, sollten die Wähler ihrem Zorn über die Waffengewalt bei den für November geplanten Zwischenwahlen an den Wahlurnen Luft machen, riet Biden. Zugleich räumte er ein, wie stark der politische Gegenwind gegen Verschärfungen des Waffenrechts sei. Vorangegangene Initiativen nach Schusswaffenmassakern seien ins Leere gelaufen. Dennoch bekräftigte Biden seine Forderung an die Abgeordneten, wieder ein Verbot von Sturmgewehren und Magazinen mit hoher Schusskapazität durchzusetzen.
Wenn der Kongress nicht all seine Vorschläge erfüllen könne, sollten sich die Abgeordneten zumindest zu Kompromissen durchringen - und zum Beispiel Wege finden, Waffen von Menschen mit psychischen Problemen fernzuhalten oder das Mindestalter für den Kauf von Sturmgewehren von 18 auf 21 Jahre anzuheben. "Sagt mir ja nicht, dass die Anhebung des Alters keinen Unterschied macht", mahnte Biden - und fragte: "Wie viel mehr Blutvergießen sind wir bereit zu akzeptieren?"
Schüsse vor Kirche und auf Friedhof: Erneut Tote und Verletzte
Auch gestern kam es in den USA wieder zu Waffengewalt. Durch Schüsse waren vor einer Kirche im US-Staat Iowa drei Menschen umgekommen. Unter den Toten sei der Schütze, teilte das Büro des Sheriffs im Bezirk Story County mit. Im Bundesstaat Wisconsin wurden mindestens fünf Menschen durch Schüsse auf einem Friedhof in der Stadt Racine verletzt. Dort sollte die Beerdigung eines Afroamerikaners stattfinden, der Ende Mai bei einer Polizeikontrolle erschossen worden war. Angehörige sagten im lokalen Fernsehen, dass Mitglieder der Trauergemeinde verletzt wurden.
Uvalde, Buffalo, Tulsa: Dutzende Tote innerhalb weniger Wochen
In der vergangenen Woche hatte ein 18-Jähriger an einer Grundschule im texanischen Uvalde 19 Kinder und zwei Lehrkräfte getötet, ehe Einsatzkräfte ihn erschossen. Mitte Mai eröffnete ein ebenfalls 18-Jähriger in Militärkluft mit einem Gewehr in einem Supermarkt in einem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Viertel in Buffalo im Staat New York das Feuer, zehn Menschen wurden getötet und drei weitere verletzt. Die Tat hatte der weiße Jugendliche mit einer Helmkamera live ins Internet gestreamt, die Behörden stuften ihn später als rassistisch motivierten Extremisten ein. Und erst am Mittwoch erschoss ein Mann in einem Klinikgebäude in Tulsa im Staat Oklahoma seinen behandelnden Arzt und drei weitere Menschen und dann sich selbst - laut der Polizei offenbar aus Rache für Rückenschmerzen nach einer Operation.
Die Aussichten auf striktere Waffengesetze in USA sind schlecht
"Diesmal müssen wir uns die Zeit nehmen, etwas zu tun", sagte Biden unter dem Eindruck der jüngsten Vorfälle. Er nahm vor allem den Senat in die Pflicht, in dem zehn republikanische Ja-Stimmen für eine Verabschiedung schärferer Gesetze nötig wären. "Ich weiß, dass es schwierig ist, aber ich werde nie aufgeben, und falls der Kongress scheitert, denke ich, dass eine Mehrheit des amerikanischen Volkes diesmal auch nicht aufgeben wird", sagte Biden und wandte sich direkt an die Zuhörer: "Ich glaube, dass die Mehrheit von euch handeln wird, indem ihr aus eurem Zorn eine Sache macht, die für eure Stimme von zentraler Bedeutung ist."
Trotz all der inständigen Appelle rechnet indes kaum ein Beobachter in Washington mit einem großen Wurf in der Debatte um ein schärferes Waffenrecht. Bidens Rede im Weißen Haus fiel am Donnerstagabend mit parteiübergreifenden Verhandlungen einer Gruppe von Senatoren über allenfalls moderate Änderungen zusammen. In der Parlamentskammer verfügen die Demokraten und Republikaner über jeweils 50 Stimmen. Eine tiefgreifende Reform, wie sie etwa die Demokraten im von ihnen dominierten Repräsentantenhaus aktuell forcieren, dürfte damit an den Gegebenheiten im Senat scheitern.
Am Ende dürfte die Senatorengruppe mit breiter angelegten Vorschlägen aufwarten, die etwa zusätzlich Bundesmittel für mehr Sicherheit auf Ebene der US-Staaten vorsehen. Dazu könnten Anreize gehören, die Schutzmaßnahmen an Schulen zu verstärken und mehr Ressourcen für die Behandlung von psychisch kranken Menschen bereitzustellen.
Mit AP-Material.
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