USA, Uvalde: Eine Frau weint, als sie das Uvalde Civic Center verlässt.
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USA, Uvalde: Eine Frau weint, als sie das Uvalde Civic Center verlässt.

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Schulmassaker in den USA: Immer und immer wieder

Die USA unter Schock: Nach dem Amoklauf an einer texanischen Grundschule debattiert das Land wieder einmal über seine Waffengesetze. Ändern wird sich an denen wohl erst mal nichts - obwohl Waffengewalt an Schulen zum traurigen Ritual wird.

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Es ist ein häufiges wie erschütterndes Bild, das man aus den USA kennt: Vor Grundschulen, vor High Schools, vor Universitäten trauern Menschen um ihre Kinder, Verwandte oder Freunde.

Neuester Fall ist die Kleinstadt Uvalde in Texas: Ein junger Mann hat an der dortigen Grundschule mindestens 19 Schulkinder und zwei Lehrer getötet. Vorher schoss er auf seine eigene Großmutter.

73 "Mass Shootings" in zehn Jahren

Waffengewalt ist ein heikles Thema in den USA, einem Land, in dem es laut Schätzungen 390 Millionen Waffen gibt. Viele sehen Waffen als Teil der amerikanischen Kultur und berufen sich auf den zweiten Verfassungszusatz, der ihnen das Recht auf das Tragen einer Waffe garantiere. Der zweite Verfassungszusatz wird bis heute bei der Debatte um Schusswaffen herangezogen. Der Kongress ratifizierte ihn 1791, davor wurde die kurze Passage siebenmal überarbeitet. Dort heißt es: Das Recht der Bürger, "Waffen zu besitzen und zu tragen", dürfe "nicht eingeschränkt" werden.

Aber dass es so viele Waffen im Land gibt und der Vertrieb kaum beschränkt wird, sorgt für so grausame Ereignisse wie jüngst im texanischen Uvalde.

Das Magazin "Mother Jones" führt eine Datenbank zu "Mass Shootings" in den USA, sie deckt den Zeitraum der letzten 40 Jahre ab. "Mass Shooting" wird von FBI und Kriminologen definiert als eine Attacke mit Waffengewalt an einem öffentlichen Ort, bei dem mindestens vier Menschen ums Leben gekommen sind. Demnach gab es seit 1982 128 solcher Attacken, bei denen 1.033 Menschen starben und 1.464 verwundet wurden. In den letzten zehn Jahren waren es 73 "Mass Shootings".

Filtert man nach Attacken auf Schulen, waren es seit den 1980ern 19 "Mass Shootings" mit 195 Toten und 220 Verletzten. Allein in den letzten zehn Jahren gab es neun Amokläufe an Schulen und Universitäten. 104 Menschen kamen dabei ums Leben. Eine Übersicht:

24. Mai 2022

In der texanischen Kleinstadt Uvalde eröffnet ein 18-Jähriger in einer Grundschule das Feuer. Er tötet an der Robb Elementary School mindestens 19 Kinder und zwei Lehrer, bevor er selbst von Polizisten erschossen wird.

30. November 2021

In Oxford im Bundesstaat Michigan erschießt ein 15-Jähriger vier Mitschüler und verletzt sieben weitere Menschen. Nach der Tat lässt er sich widerstandslos festnehmen.

18. Mai 2018

An der Santa Fe High School in der texanischen Stadt Santa Fe schießt ein 17-jähriger Schüler mit einem Sturmgewehr und einem Revolver seines Vaters auf Mitschüler. Zwei Erwachsene und acht Jugendliche werden getötet und 13 weitere verletzt.

14. Februar 2018

Ein 19-jähriger Ex-Schüler dringt am Valentinstag in die Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland im Bundesstaat Florida ein und eröffnet das Feuer. Er tötet 17 Menschen und verletzt 17 weitere.

1. Oktober 2015

Ein 26-jähriger Student tötet bei einem Amoklauf am Umpqua Community College in Roseburg im Bundesstaat Oregon neun Menschen. Er erschießt sich dann selbst.

24. Oktober 2014

Ein 15-Jähriger verabredet sich mit mehreren Mitschülern in der Cafeteria der Marysville High School und eröffnet dort das Feuer auf sie. Er erschießt vier Menschen und anschließend sich selbst.

23. Mai 2014

In der Nähe des Campus der University of California in Santa Barbara tötet ein 22-Jähriger sechs Menschen. Er richtete sich anschließend selbst.

14. Dezember 2012

Ein 20-Jähriger erschießt in der Sandy Hook Grundschule in Newtown im Bundesstaat Connecticut 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren sowie sechs Erwachsene. Zuvor hatte er bereits seine Mutter getötet. Nach den Bluttaten nimmt er sich das Leben. Der damalige US-Präsident Barack Obama zeigt sich in einer emotionalen Pressekonferenz erschüttert über die Ereignisse.

2. April 2012

Ein 43-Jähriger tötet in der religiösen Universität Oikos in Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien sieben Menschen und verletzt drei weitere. Anschließend stellt der frühere Student sich der Polizei.

Grafik: Tote durch Amokläufe an Schulen in den USA 2012-2020

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Tote durch Amokläufe an Schulen in den USA 2012-2020

"Thoughts and prayers" - aber keine Gesetze

Vielen Menschen ist auch das Columbine Massaker in Erinnerung. Im April 1999 erschossen zwei Jugendliche zwölf Mitschüler und einen Lehrer an der Columbine High School in Littleton im Bundesstaat Colorado. Der Filmemacher Michael Moore nahm die Tragödie zum Anlass, um in seinem Dokumentarfilm "Bowling for Columbine" die Waffenliebe seiner Landsleute anzuprangern.

Doch passiert ist auch seitdem nichts. Es ist ein amerikanisches Ritual: Politikerinnen und Politiker sprechen nach derartigen Tragödien ihre "Thoughts and prayers" aus - man sei in Gedanken und Gebeten bei den Opfern und ihren Familien. Die einen - hauptsächlich Demokraten - fordern, dass man nun endlich etwas gegen die Waffengewalt tun müsse. Während die anderen - meistens Republikaner - darauf beharren, dass jetzt nicht die Zeit dafür sei.

Blockade im Senat

Und dieses Ritual wiederholt sich mit jedem neuen Amoklauf, mit jeder neuen Schießerei. Zwar gibt es mehrere Gesetzesinitiativen, die zumindest sogenannte "background checks" bei einem Waffenkauf vorschreiben würden. Eine Maßnahme, die in der Bevölkerung eine überwältigende Zustimmung hat. Laut einer Gallup-Umfrage sind 92 Prozent der US-Amerikaner dafür.

Aber bisher ist keines dieser Gesetzte durch den Senat gekommen. Dort bräuchte es eine Mehrheit von 60 der 100 Senatoren. Doch die allermeisten republikanischen Senatoren sperren sich dagegen, weil sie die Rache der Waffenlobby NRA und enttäuschte republikanische Wähler fürchten.

Die beiden Politiker, die nach dem Massaker von Uvalde am meisten zitiert werden, sind der demokratische Senator Chris Murphy (Connecticut) auf der einen, und der republikanische Senator Ted Cruz (Texas) auf der anderen Seite.

Demokrat fleht, Republikaner kontert

Murphy forderte nach der Attacke in Texas eine sofortige Verschärfung des Waffenrechts. "Das ist nicht unvermeidbar, diese Kinder hatten nicht einfach nur Pech", sagte er in einer viel beachteten Rede im Senat. "Das passiert nur in diesem Land und nirgendwo anders." Er kritisierte seine republikanischen Kollegen und appellierte: "Ich gehe auf die Knie und flehe meine Kollegen an: Lasst uns einen Weg nach vorne finden."

Cruz wiederum warf den Demokraten aber umgehend vor, die Attacke in Uvalde zu "politisieren", um das Recht auf Waffenbesitz einzuschränken. Wenn man diese Art von Verbrechen verhindern wolle, müsse man "Straftäter und Flüchtige und Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen verfolgen, verhaften und strafrechtlich belangen, wenn sie versuchen, illegal Schusswaffen zu kaufen", sagte er gegenüber dem Fernsehsender "CNN".

Dass dieses Mal tatsächlich etwas passiert, gilt als unwahrscheinlich.

Todesursachen bei jungen Menschen in den USA

Derzeit macht auch wieder eine Grafik die Runde, die die häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen der Jahre 2000 bis 2020 in den USA abbildet. Die Daten entstammen dem New England Journal of Medicine. Auf Platz 1 der häufigsten Todesursachen bei Menschen zwischen einem und 19 Jahren in den USA seit 2019: Verletzung durch Schusswaffe. Die Gefahr, erschossen zu werden, ist höher als durch einen Autounfall zu sterben. In den USA kommen mehr junge Menschen durch Waffengewalt ums Leben als durch Krebs, Alkohol und Drogen zusammen.

(Mit Material von AFP)

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