Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen haben nun auch die USA damit begonnen, Hilfsgüter abzuwerfen. Drei Transportflugzeuge warfen am Nachmittag 66 Pakete mit 38.000 Fertig-Mahlzeiten ab, wie das zuständige Regionalkommando des US-Militärs, Centcom, bekannt gab. Es handle sich um einen "kombinierten Luftabwurf humanitärer Hilfsgüter", sagte ein Beamter des US-Zentralkommandos der Nachrichtenagentur AFP.
Laut Augenzeugen hoben Einheimische ihre Hände zu den Flugzeugen, die so tief flogen, dass die Einheimischen erkennen konnten, dass es sich um US-Maschinen handelte. Abgeworfen wurden Hilfsgüter den Augenzeugen zufolge unter anderem über der Stadt Gaza im Norden des Küstenstreifens und über Rafah im Süden.
Weitere Versorgungsflüge geplant - Ausführung kompliziert
"Wir müssen mehr tun, und die Vereinigten Staaten werden mehr tun", hatte US-Präsident Joe Biden am Freitagabend angekündigt. Es handelte sich laut US-Angaben um eine gemeinsame Aktion mit der jordanischen Luftwaffe. Jordanien und Ägypten hatten zuvor schon ähnliche Hilfsprogramme gestartet. Derzeit liefen Planungen für weitere Einsätze dieser Art, hieß es aus Washington. Auch Lieferungen über den Seeweg würden erwogen.
Es gebe nur wenige Militäroperationen, die komplizierter seien als die Abwürfe humanitärer Hilfe aus der Luft, betonte indessen der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag. Es sei "extrem schwierig", einen Abwurf in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem Gazastreifen durchzuführen. Viele Menschen seien auf engem Raum zusammengepfercht. Man wolle so nah wie möglich an die Bedürftigen herankommen, aber nicht so, dass sie in Gefahr gerieten.
Karte: Übersicht des Gazastreifens
UNO kritisiert Abwurfmengen als zu gering
Abwürfe von Hilfslieferungen über dem Gazastreifen führen bereits Jordanien seit November und Ägypten seit wenigen Tagen durch. Die Flüge sind mit Israel koordiniert. Die abgeworfenen Lebensmittel oder Medikamente bringen eine gewisse Linderung der Not, vor allem in Gebieten, die wie der nördliche Gazastreifen mit Hilfslieferungen auf dem Landweg nur schwer oder gar nicht zu erreichen sind.
UN-Organisationen weisen allerdings darauf hin, dass die Mengen, die durch Abwürfe geliefert werden können, eher gering sind. Bei der großen Zahl der im Gazastreifen Not leidenden Menschen verpuffe die Wirkung schnell, heißt es. Hinzu kommt, dass in den betroffenen Gebieten in Gaza infolge des Kriegs jegliche Ordnung zusammengebrochen ist. Um die abgeworfenen Pakete prügeln sich häufig junge Männer, um etwas für ihre Familien zu ergattern. Einfacher wäre es, meinen UN-Mitarbeiter, wenn Israel einfach Lkw-Hilfslieferungen über Grenzübergänge im Norden des Gazastreifens zulassen würde.
Mehr als hundert Tote nach Vorfall mit Hilfskonvoi
Doch auch die Lieferungen per Lastwagen sind gefährlich und kompliziert: Am Donnerstag hatten bei der Ankunft eines Hilfskonvois im Gazastreifen viele verzweifelte Menschen versucht, sich mit Gütern zu versorgen. Bei dem Ansturm kam es zu Tumulten und Schüssen durch israelische Soldaten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sollen mehr als hundert Menschen getötet und mehr als 700 verletzt worden sein. Die Vorfälle sind noch weitgehend ungeklärt. Zahlreiche Länder, darunter die USA und Deutschland, forderten Aufklärung durch Israel.
Die US-Regierung mahnt seit Wochen die katastrophale humanitäre Situation in Gaza an und pocht auf eine Waffenruhe. Gemeinsam mit Ägypten und Katar vermittelt Washington zwischen der islamistischen Hamas und Israel, um eine Feuerpause zu erreichen. Ziele sind die Freilassung der Geiseln in den Händen der Hamas und die verbesserte Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibt trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe eine Bodenoffensive im Gazastreifen voran und lässt humanitäre Hilfe beschränken.
Mit Informationen von dpa, AP, AFP und Reuters
Im Video: UNO untersucht tödlichen Vorfall bei einer Hilfslieferung im Gazastreifen
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!