In vielen Städten und Gemeinden fehlen Hausärztinnen und Hausärzte, vor allem auf dem Land. Über Jahre hinweg ist die Zahl der Allgemeinmediziner auch in Bayern gesunken. Eine Entwicklung, die noch nicht zum Stillstand gekommen ist – doch für Bayern könne man eine Trend-Umkehr beobachten, sagt Dr. Markus Beier, der neue Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes im Interview der Woche. Er spricht aber auch über medizinische Versorgungszentren und das Delegieren medizinischer Aufgaben.
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Drei mal mehr Facharztprüfungen als noch vor zehn Jahren
Während vor zehn Jahren nur rund 100 Medizinerinnen und Mediziner in Bayern die Facharztprüfung im Bereich Allgemeinmedizin abgelegt haben, waren es im vergangenen Jahr 357. Um die Hausärzte zu ersetzen, die in nächster Zeit in Ruhestand gehen, und um den höheren Behandlungsbedarf einer älter werdenden Bevölkerung zu decken, müsse die Hausarzt-Medizin aber weiter gestärkt werden. "Noch ist der zukünftige Bedarf dadurch nicht gedeckt", mahnt Beier.
So müsse die Allgemeinmedizin im Medizinstudium einen deutlich höheren Stellenwert bekommen, sagt Beier. Es fehlt aber auch an medizinischen Fachangestellten (MFA), ohne die ein Praxisbetrieb oft gar nicht oder nur eingeschränkt aufrechterhalten werden kann.
Versorgungszentren ersetzen die Hausarztpraxis nicht
Viele Medizinerinnen und Mediziner arbeiten inzwischen auch in Arztpraxen oder Versorgungszentren als Angestellte, anstatt sich selbständig zu machen. Solche "kooperative Formen" hätten Zukunft, meint Beier – "wobei die Einzelpraxis weiterhin attraktiv ist und ihren Stellenwert haben wird", schränkt der Verbandschef ein. "Dass jetzt ganz große Versorgungszentren die Probleme lösen und zukünftig die Versorgung dominieren werden, das sehe ich nicht so". Der Mensch an sich, um den in der ärztlichen Versorgung ja gehe, würde an den Rand gedrängt wenn Strukturen zu groß würden.
Investoren verdienen an Arztpraxen in Großstädten
Gerade in Ballungsräumen wie München, Berlin, Köln oder Hamburg beobachte der Hausärzteverband inzwischen, dass Investoren medizinische Versorgungszentren mit Hausärzten mit dem Ziel eröffneten, möglichst viele Patientinnen und Patienten dafür zu gewinnen. "Wir nennen das Rosinenpickerei", erklärt Beier, weil diese Zentren sich nur in den großen Städten lohnten, wo lukrativ auch sonstige Leistungen angeboten werden könnten.
Medizinische Aufgaben abgeben sieht Beier skeptisch
Im Zusammenhang mit dem Ärztemangel wird immer wieder diskutiert, ob ärztliche Tätigkeiten an andere Berufe übergeben werden können. Beispielsweise, ob Apotheker Impfungen übernehmen könnten. Dem steht Markus Beier vom Hausärzteverband kritisch gegenüber. Beim Beispiel Impfen gibt er zu bedenken, dass es bei weitem nicht "um den Piks" gehe, sondern um "alles, was davor dahinter und danach passieren kann.
Und dazu muss ich die Menschen beraten, und es muss auch in einer Hand zusammengeführt werden" erklärt der Mediziner und ergänzt: "Das kann man eben nicht an jeder Stelle machen und nicht in einem Wochenendkurs erlernen." In seinen Augen sei der sinnvollste Weg, "dass wir die hausärztliche Praxis mehr fördern, die hausärztliche Versorgung mehr ins Zentrum rücken".
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