Bundeskanzler Olaf Scholz steht vor einem Gepard-Panzer (Archivbild)
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Folgen nach den Panzern die Kampfjets? Kanzler Scholz vor einem Gepard-Panzer (Archivbild)

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"Vertrauen Sie mir": Die Kanzler-Kommunikation in Kriegszeiten

Folgen nach den Panzern die Jets? Kanzler Scholz schließt eine deutsche Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine aus. Mit seiner undurchsichtigen Kommunikation in der Panzer-Debatte hat er aber das Vertrauen einiger Bürger belastet. Eine Analyse.

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Nach der Panzer-Lieferung ist vor der Kampfjet-Lieferung? Kaum hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Monaten des Zögerns dazu durchgerungen, Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 für die Ukraine freizugeben, schon meldete sich der stellvertretende ukrainische Außenminister zu Wort. Scholz‘ Entscheidung war noch nicht einmal öffentlich bekanntgegeben worden, da verkündete Andrij Melnyk bereits: Was die Ukraine nun benötige, sei eine Verstärkung ihrer Luftwaffe. Moderne Kampfjets, Eurofighter, Tornados.

Die Forderungen aus der Ukraine sind nicht weiter verwunderlich, sie gehen einher mit der raschen Dynamik des Krieges. Die undurchsichtige Kommunikation des Kanzlers in der Panzer-Debatte hat allerdings das Vertrauen bei einigen Bürgern erschüttert: Wie viel ist das Versprechen des Kanzlers wert, der eine deutsche Lieferung von Kampfjets ausgeschlossen hat? Eine Analyse.

"Vertrauen Sie mir, vertrauen Sie der Bundesregierung"

Nüchtern, fast stoisch, verkündete Scholz am Mittwoch im Bundestag seine Entscheidung zur Kampfpanzer-Lieferung. Die zentrale Botschaft des Kanzlers an diesem Tag: Deutschland werde weiter Unterstützung für die Ukraine ermöglichen, aber "ohne, dass die Risiken für unser Land darüber in eine falsche Richtung wachsen". Das sei möglich durch die enge Abstimmung mit westlichen Partnern, allen voran den USA, die gleichzeitig einer Lieferung von Abrams-Kampfpanzern zugestimmt haben. Dadurch ist die Entscheidung kein deutscher Alleingang mehr, sondern wird von mehreren Schultern getragen. An die Menschen gerichtet, die sich Sorgen machen, Deutschland könnte in den Krieg hineingezogen werden, sagte Scholz: "Vertrauen Sie mir. Vertrauen Sie der Bundesregierung."

Im Bundestag wurde nach der Rede des Kanzlers mehrheitlich applaudiert – im Netz sind die Reaktionen deutlich gespaltener: "Vertrauen, genau das ist das Problem. Keine Impfpflicht, keine Waffen, keine schweren Waffen, keine Panzer, keine Kampfpanzer. Kein Krieg?" schreibt etwa ein Twitter-User und fügt hinzu: "Der Regierung kann ich nicht mehr trauen". Ein weiterer zweifelt an der Aufrichtigkeit des Kanzlers: Wenn Scholz die Menschen aufrufe, ihm zu vertrauen, "dann weiß ich jetzt schon, es wird zum heißen Krieg mit Russland kommen."

  • Zum Artikel: Wird Deutschland wegen der Panzerlieferungen zur Kriegspartei?

Was brachte Scholz zum Umdenken?

Ist es das lange Zögern des Kanzlers in der Panzer-Frage, gefolgt von einer plötzlichen Entscheidung, das einige Bürgerinnen und Bürger an seinen Aussagen zweifeln lässt? Einen ersten Antrag zur Lieferung von Panzern hatte Kiew bereits eine Woche nach Kriegsbeginn an die Bundesregierung gestellt. Nach und nach genehmigte Berlin die Lieferung von Gefechtshelmen, Flugabwehrraketen und Panzerfäusten, schließlich folgten Haubitzen und Schützenpanzer vom Typ Marder. Sprach man Scholz jedoch auf den Leopard an, herrschte über Monate hinweg eisernes Schweigen.

Viele dürften sich gefragt haben, was sich an diesem Mittwoch im Januar an der Lageeinschätzung im Kanzleramt geändert hat. War es der Druck von außen, von den anderen Parteien und westlichen Partnern, der immer größer wurde? Lässt sich die plötzliche Entscheidung zur Kampfpanzer-Lieferung auf die militärische Lage in der Ukraine zurückzuführen? Oder war tatsächlich so viel Zeit nötig, um sich mit anderen Ländern abzustimmen und eine Unterstützer-Allianz zu bilden?

"Allein die Tatsache, dass die letzten zwei, drei Wochen unglaublich viel spekuliert worden ist über diese Motive und viele Menschen darauf keine Antwort hatten - das allein ist schon etwas, was Vertrauen zerstören kann", sagt der Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann von der Ludwig-Maximilians-Universität in München im Interview mit BR24. Gerade, wenn man seine Haltung zu einem so wichtigen Thema ändere, "dann gebietet es meines Erachtens schon der Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern, konkreter zu erklären, was nun die Bewertung der Situation verändert hat".

Carsten Reinemann im Interview mit BR24
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Der Kommunikationswissenschaftler Reinemann stellt dem Kanzler kein gutes Zeugnis aus.

"Never explain" - Kommunizieren wie die Queen

Auch Kanzler ändern gelegentlich ihre Meinung, werden von anderen überzeugt oder bewerten Aspekte neu. Damit schaden sie laut Kommunikationsforscher Reinemann nicht automatisch ihrer Reputation: Zwar komme es besser an, wenn man als Politiker in seinen Ansichten konsistent sei. "Es gibt aber in der Forschung auch Hinweise darauf, dass sich eine Meinungsänderung nicht unbedingt negativ auswirken muss, wenn man sie mit guten Argumenten nachvollziehbar begründet", so der Experte im Gespräch mit BR24.

Es handle sich dabei um den sogenannten Widerspruchs-Effekt: Wer seine Meinung ändert und die Gründe dafür offen darlegt, beweist laut Reinemann, dass er sich "sehr viele Gedanken gemacht hat" - eine Maßnahme, die das Vertrauen der Menschen sogar noch verstärken kann.

Scholz ist allerdings nicht als großer Erklärer bekannt: Dem Kanzler wird oft nachgesagt, er habe sich bei seiner Kommunikationsstrategie von der verstorbenen Queen Elizabeth II. inspirieren lassen. Im britischen Königshaus gilt seit jeher das Motto "Never complain, never explain", zu Deutsch: "Beschwere dich nie, erkläre dich nie". Was die tatsächlichen Beweggründe für eine Entscheidung in Richtung Panzer-Lieferung war, darüber schweigt man sich im Kanzleramt aus. Die wahren Hintergründe dürften nur dem innersten Kreis des Kanzlers bekannt sein. Die zuletzt immer heftigeren Forderungen aus der Koalition nach einer Panzer-Lieferung zeigen: Selbst die Regierungspartner wussten offenbar nichts von der Allianz mit westlichen Partnern, die hinter verschlossenen Türen geschmiedet wurde.

Kampfjets für die Ukraine - Wo verläuft die rote Linie?

Diese westlichen Partner preschen nun auch in der Debatte um Kampfflugzeuge vor: Auf die Frage, ob die USA die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine in Erwägung ziehen, sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater, Jon Finer, im US-Fernsehsender MSNBC, man richte die Unterstützung danach aus, was die Ukraine brauche. "Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren", so Finer. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der französischen Nationalversammlung, Thomas Gassilloud, laut Medienberichten am Donnerstag: "Wir müssen Anfragen von Fall zu Fall untersuchen und alle Türen offenlassen." Auch das an die Ukraine grenzende EU-Land Polen zeigt sich für diese Idee grundsätzlich offen.

Scholz hat einen solchen Schritt für Deutschland kategorisch ausgeschlossen: Bei der Lieferung von modernen Kampfjets oder gar der Entsendung von Bodentruppen ziehe er seine rote Linie, erklärte der Kanzler am Mittwoch im Bundestag. Eine Meinungsänderung nach einer derart deutlichen Aussage hält Kommunikationswissenschaftler Reinemann für sehr schwierig: "Das überzeugend zu tun, wird natürlich umso schwerer, wenn man sich schon einmal auf das Gegenteil festgelegt hat." Und immerhin muss man dem Kanzler zugutehalten: Eine Lieferung von Kampfpanzern hatte er nie eindeutig ausgeschlossen.

Mit Informationen von dpa, AFP, AP und Reuters

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