Das Landgericht Leipzig hat das Verfahren wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim unter einer Geldauflage vorläufig eingestellt. Vorausgegangen waren ein überraschendes Geständnis und eine Entschuldigung des Angeklagten. Ofarim räumte ein, dass seine Behauptung, er sei in einem Leipziger Hotel mit Antisemitismus konfrontiert worden, falsch war – wie in der Anklage gegen ihn formuliert. "Die Vorwürfe treffen zu", erklärte er.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte das Verhalten des Musikers aus München. Fast zwei Jahre lang habe Ofarim einen "falschen Vorwurf aufrechterhalten und damit zugelassen, dass ein Mann grundlos beschuldigt wurde und darunter leiden musste", sagte Klein dem Portal t-online. Zugleich habe er "mit seinem Verhalten Judenhass Vorschub geleistet und der Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland schweren Schaden zugefügt".
Zentralrat der Juden: Tatsächlichen Opfern Schaden zugefügt
Der Zentralrat der Juden erklärte, der Sänger müsse "in jeder Hinsicht die Konsequenzen für seine Lüge" tragen. Ofarim habe allen, "die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt". Neben der Öffentlichkeit habe er "auch die jüdische Gemeinschaft belogen".
Es sei richtig, bei einem Antisemitismusvorwurf auf der Seite des Betroffenen zu stehen, ihm beizustehen und die Antisemitismus-Erfahrung zunächst nicht infrage zu stellen, schrieb der Zentralrat mit Blick auf frühere Erklärungen zu dem Fall. Umgekehrt dürfe solch ein Vorwurf niemals grundlos erhoben werden. "Und das ist hier leider passiert."
"Leipzig zu Unrecht in antisemitische Ecke gestellt"
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erklärte, der Prozess gegen Ofarim kenne nur Verlierer – "das Hotel, das sich üblen Beschimpfungen ausgesetzt sah, die Stadt Leipzig, die sich international zu Unrecht in die antisemitische Ecke gestellt sah".
Der Imageschaden für die Stadt und für die Menschen in ganz Ostdeutschland sei immens, betonte Jung. Ofarims Lüge dürfe aber nicht überdecken, dass Antisemitismus ein ernstes Problem sei.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sieht einen großen Schaden für die jüdische Community. Ofarim habe dieser mit seinem Verhalten "einen Bärendienst erwiesen". Das habe sie so nicht vermutet, sagte Köpping. Das alles habe "sehr negative Auswirkungen".
Handy-Video mit schweren Anschuldigungen
Im Oktober 2021 hatte Ofarim einem Leipziger Hotelmanager Antisemitismus vorgeworfen. Er postete ein Handy-Video, das in den sozialen Netzwerken viral ging. Darin sagte Ofarim, der Hotelmanager habe ihn aufgefordert, seine Davidstern-Kette abzunehmen, erst dann dürfe er einchecken.
Gleiches soll Ofarim auch gegenüber der Polizei ausgesagt haben. Nun widerrief der Musiker seine Anschuldigungen und bat den Hotelmitarbeiter um Verzeihung: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen." Der als Nebenkläger auftretende Hotelmanager akzeptierte noch im Gerichtssaal die Entschuldigung.
Zunächst viel Solidarität mit Ofarim
Der Fall hatte bundesweit Aufmerksamkeit erregt und zunächst zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit Ofarim geführt, der sich von dem vielen Zuspruch "überwältigt" zeigte. Der von dem Musiker beschuldigte Hotelmanager soll hingegen Morddrohungen erhalten haben, er tauchte für einige Tage unter und begab sich in psychotherapeutische Behandlung.
Seine Unterstützung für Ofarim hatte im Oktober 2021 auch der Zentralrat der Juden in Deutschland bekundet. Der Vorsitzende Josef Schuster forderte damals, das Hotel müsse sich bei dem Sänger entschuldigen. Bereits einen Monat später erklärte Schuster allerdings, er hoffe, dass Ofarim dem Kampf gegen Antisemitismus "keinen Bärendienst erwiesen" habe.
Mit Informationen von AFP und dpa
Im Audio: Prozess gegen Ofarim endet mit Geständnis
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