Markus Söder
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Wie realistisch ist Söders Forderung nach Neuwahlen?

Wie realistisch ist Söders Forderung nach Neuwahlen?

CSU-Chef Söder und sein Generalsekretär Huber befeuern die Debatte über eine Neuwahl im Bund – gleichzeitig mit der Europawahl im Juni 2024. Aus der Ampel kommt ein klares Nein. Wie könnte es zu Neuwahlen kommen? Und wäre Söders Zeitplan realistisch?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Markus Söder legt nach. Bereits am Wochenende hatte der CSU-Vorsitzende eine Neuwahl des Bundestags in den Raum gestellt, jetzt folgt die klare Forderung: "Das ganze Konstrukt Ampel funktioniert nicht. Deshalb braucht es eine grundlegende Veränderung: vorgezogene Neuwahlen wären der richtige Weg", schreibt Söder in den sozialen Netzwerken. Vor Journalisten in Berlin verweist er auf die großen "Fliehkräfte in der Ampel". Deswegen solle die Regierung die Vertrauensfrage stellen - "nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk".

Die für 9. Juni 2024 angesetzte Europawahl nennt der bayerische Ministerpräsident einen "hervorragenden Zeitpunkt" für eine vorgezogene Bundestagswahl. Anschließend wäre für Söder eine Neuauflage der großen Koalition mit der SPD denkbar. CSU-Generalsekretär Martin Huber assistiert seinem Parteichef: "Die Ampel hat das Land in eine schwere Staatskrise geführt und zur Lachnummer in Europa gemacht", schreibt Huber im Kurznachrichtendienst X. "Es ist Zeit für Neuwahlen."

Unter welchen Voraussetzungen könnte es zu Neuwahlen kommen? Wer entscheidet darüber? Welche Fristen und Terminvorgaben gibt es? Und was sagen die Vertreter der Ampel zu dem Vorstoß aus Bayern? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Voraussetzungen für eine Neuwahl gibt es?

Formal gesehen kann die Ampel-Regierung dem deutschen Volk keine Vertrauensfrage stellen. Das Grundgesetz formuliert klare Bedingungen für eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags: Voraussetzung ist eine Auflösung des Bundesparlaments durch den Bundespräsidenten, die wiederum ebenfalls an Bedingungen geknüpft ist.

Im aktuellen Fall müsste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Würde er die Mehrheit verfehlen, könnte laut Grundgesetz der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen.

Könnte die Bundestagswahl zeitgleich mit der Europawahl stattfinden?

Damit der von CSU-Chef Söder vorgeschlagene Zeitplan gelänge, müsste sich Kanzler Scholz mit der Vertrauensfrage noch knapp vier Monate Zeit lassen. Denn laut Grundgesetz hat der Bundespräsident nach einer gescheiterten Vertrauensfrage 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen. Anschließend muss innerhalb von maximal 60 Tagen einer neuer Bundestag gewählt werden.

Damit am 9. Juni mit dem Europaparlament auch ein neuer Bundestag gewählt werden könnte, dürfte der Bundeskanzler frühestens am 20. März die Vertrauensfrage stellen. Würde er es schon in den nächsten Tagen tun, müsste es Neuwahlen in der zweiten Februar-Hälfte geben.

Eine Verlängerung der Fristen ist nicht vorgesehen, eine Verkürzung dagegen ist möglich. Im Bundeswahlgesetz heißt es, dass das Bundesinnenministerium im Fall einer Auflösung des Bundestags die festgelegten "Fristen und Termine durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates abzukürzen" darf.

Wie oft gab es in Deutschland schon Neuwahlen?

Laut Bundeswahlleiter fand eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags bisher dreimal statt: 1972, 1983 und zuletzt 2005.

1972 stellte Willy Brandt (SPD) die Vertrauensfrage, weil mehrere Abgeordnete die sozialliberale Koalition verlassen hatten und das Bündnis keine Mehrheit mehr hatte. Auf diesem Weg erreichte Brandt eine Neuwahl des Bundestags, aus der die Koalition aus SPD und FDP gestärkt hervorging. Auch Helmut Kohl (CDU) entschied sich 1982 für die Vertrauensfrage, um den Weg für eine Neuwahl freizumachen. Im März 1983 wurde gewählt - und Kohl der große Sieger.

Im Sommer 2005 war es Gerhard Schröder (SPD), der dafür sorgte, bei der Vertrauensfrage zu scheitern - weil er Neuwahlen anstrebte. In diesem Fall aber ging die Rechnung des damaligen Kanzlers nicht auf: Nach der Bundestagswahl wurde Rot-Grün durch eine große Koalition unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgelöst.

Was sagen Vertreter der Ampel?

SPD-Chefin Saskia Esken wies Söders Forderung nach Neuwahlen zurück. "Ich will mich für die Ratschläge aus Bayern herzlich bedanken, aber wir mischen uns in die Regierungsführung dort in Bayern auch nicht ein", sagte sie in Berlin. Die Koalition sei in der Lage, Lösungen zu finden "für diese Situation". Regierungssprecher Steffen Hebestreit stellte klar: "Der Bundeskanzler wird morgen eine Regierungserklärung abhalten. Weitere Schritte sind nicht geplant."

Die SPD-Bundestagsfraktion schrieb auf X: "Nur weil Markus Söder Neuwahlen will, gibt es nicht automatisch welche." Dazu stellte die Fraktion ein Zitat des SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Träger: "Markus Söder vermisst die SPD - das kann ich gut verstehen. Doch ich muss ihn enttäuschen: Die nächsten Bundestagswahlen finden im Herbst 2025 statt."

FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr sagte, es falle ihm manchmal etwas schwer, Söders bundespolitische Zwischenrufe "wirklich ernst zu nehmen". Es gehe jetzt darum, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen - "übrigens auch für den bayerischen Haushalt, auch da muss man genau hinschauen". FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle kritisierte Söders Vorstoß: "Wer angesichts von Krieg, Krise und Extremismus leichtfertig mit Neuwahlen kokettiert, hat den Schuss nicht gehört." Es brauche in diesen Zeiten mehr politische Klarheit, Führung und Orientierung – "keine monatelange Hängepartie und Instabilität", warnte Kuhle.

Wie reagieren AfD und Linke?

Auch die AfD pocht auf Neuwahlen. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sagte in Berlin, sie wünsche sich von Bundeskanzler Olaf Scholz statt einer Regierungserklärung am Dienstag einen Rücktritt. "Der Weg ist freizumachen für Neuwahlen. Diese Regierung hat abgewirtschaftet." Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka schrieb auf X: "Neuwahlen jetzt! AfD ist bereit für mehr." Der Münchner AfD-Abgeordnete Wolfgang Wiehle betonte: "Dass, was Söder jetzt fordert, fordert die AfD seit langem: Neuwahlen!"

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte, zwar versinke die Regierung derzeit in Chaos. Trotzdem stelle sich die Frage von Neuwahlen aktuell nicht.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

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