Vier Tage in der Schule lernen, mit dem fünften Tag "relativ kreativ umgehen": Bildungsverbände sehen ein solch geplantes Modellprojekt in Sachsen-Anhalt äußert kritisch. Die Vorwürfe: Bankrotterklärung im Bildungsbereich, Einführung eines Sparmodells, Niveauverlust.
"Projekt 4+1" an Schulen in Sachsen-Anhalt
Zunächst sollen zwölf Schulen an diesem "Projekt 4+1" teilnehmen. Es diene der Unterrichtsorganisation an Schulen und gehe auf einen Beschluss des Landtags zurück, erklärte das Landesbildungsministerium am Freitag in Magdeburg. Die Teilnahme sei freiwillig und zunächst auf das kommende Schuljahr begrenzt.
Dem Ministerium zufolge soll Schulen mit dem Vorhaben "im Rahmen ihrer jeweiligen Bedingungen mehr Flexibilität bei der Unterrichtsplanung und -durchführung gegeben werden". An vier Tagen in der Woche findet damit Präsenzunterricht statt, am fünften Tag können die Schulen zum Beispiel digitale oder hybride Formate anbieten. "Auch Phasen des selbst organisierten Lernens oder Besuche in Firmen oder Unternehmen, um den Schülerinnen und Schülern vor Ort Praxiswissen zu vermitteln, sind möglich", erklärte das Ministerium.
Wegen Lehrkräftemangel? Bildungsministerin verneint
Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) sagte dem "Spiegel", der unter anderem zuerst darüber berichtete, das Modellprojekt verstehe sich "explizit nicht als Instrument gegen den Lehrkräftemangel". Tatsächlich leiden viele Schulen in dem Bundesland und in ganz Deutschland unter Lehrermangel.
Kritik aus dem Landtag: "Ausdruck der Hilfslosigkeit"
Kritik kam aus Sachsen-Anhalt auch vom Koalitionspartner SPD. "Dieser Vorschlag ist innerhalb der Koalition nicht abgestimmt", erklärte Fraktionschefin Katja Pähle. Es müsse sichergestellt sein, dass alle Lehrplaninhalte umgesetzt würden, kein Schüler dürfe Nachteile erleiden. Die Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt nannte die Vier-Tage-Woche einen "Ausdruck der Hilflosigkeit und mangelnden Ideen" gegen den Lehrkräftemangel im Land. Die AfD sprach von einem "Staatsversagen im Bildungsbereich".
Der Verband Bildung und Erziehung bezeichnete das Projekt als "Bankrotterklärung des Landes Sachsen-Anhalt im Bildungsbereich". "Nach zwei Jahren Corona, in dem zum Teil sehr massiv auf die Schulpflicht und damit auch auf den Schulbesuch beharrt und verwiesen wurde, stellt dieses Modell die Glaubwürdigkeit von Lehrkräften und von Schulen sehr in Abrede", erklärte Sachsen-Anhalts Landesvorsitzender Torsten Wahl zu den Plänen.
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Lehrerverband fürchtet "dauerhaften Niveauverlust"
Auch der Deutsche Lehrerverband sieht den Plan "außerordentlich kritisch". "Wir haben nicht nur den Verdacht, dass da ein Sparmodell schrittweise auf leisen Sohlen eingeführt werden soll, sondern dass dadurch auch die Unterrichtsausfallstatistik massiv geschönt werden soll", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur. Distanzunterricht möge in der Oberstufe, wo Jugendliche selbstständiges Arbeiten gewohnt seien, zeitweise funktionieren. Jüngere Schüler aber bräuchten den Präsenzunterricht.
Besonders kritisch sieht der Lehrerverbandspräsident, dass der fünfte Tag flexibel gestaltet werden soll. "Das heißt, dass es gar nicht mehr auf die Fachstundentafel ankommt, sondern dass man da quasi machen kann, was man will." Meidinger befürchtet einen "dauerhaften Niveauverlust".
Mit Material von AFP und dpa.
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