Die ehemalige deutsche Kolonie Namibia hat Berlin für seine Entscheidung scharf kritisiert, die von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) erhobenen Völkermord-Vorwürfe gegen Israel zurückzuweisen.
"Namibia lehnt Deutschlands Unterstützung für die völkermörderischen Absichten des rassistischen israelischen Staates ab", erklärte Präsident Hage Geingob am Samstagabend. Er warf Berlin vor, den "Tod von über 23.000 Palästinensern (...) zu ignorieren" und beklagte "Deutschlands Unfähigkeit, Lehren aus seiner schrecklichen Geschichte zu ziehen".
Bundesregierung stellte sich hinter Israel
Israel muss sich derzeit vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen des Vorwurfs des Völkermords an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen verantworten. Südafrika hatte Israel Ende 2023 vor dem höchsten UN-Gericht verklagt. Es fordert vom IGH in einem Eilverfahren eine Anordnung zur sofortigen Einstellung des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Israel weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Die Bundesregierung hatte sich am vergangenen Freitag klar an die Seite Israels gestellt und die Vorwürfe ebenfalls "entschieden und ausdrücklich" zurückgewiesen. Sie warf Südafrika eine "politische Instrumentalisierung" der UN-Völkerrechtskonvention vor. Die Vorwürfe entbehrten "jeder Grundlage".
Angesichts der deutschen Geschichte und der Schoah sehe sich die Bundesregierung der Völkermord-Konvention besonders verbunden, hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärt. Sie sei ein zentrales Instrument des Völkerrechts, um das "Nie wieder" umzusetzen.
Vorwürfe an Deutschland auch wegen Völkermord an Herero und Nama
Namibia - damals Deutsch-Südwestafrika - war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Aufstände der Herero und Nama schlugen die deutschen Kolonialtruppen brutal nieder. Später ordnete der damalige deutsche Gouverneur Lothar von Trotha die planmäßige Vernichtung der beiden Volksgruppen an. Historiker sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Im Mai 2021 hatte Deutschland im Rahmen eines Versöhnungsabkommens die Gräueltaten an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 erstmals als Völkermord anerkannt. Berlin sagte Wiederaufbauhilfen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu, die über einen Zeitraum von 30 Jahren ausgezahlt werden und vorrangig in soziale Projekte in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama fließen sollen. Reparationen lehnt die Bundesregierung jedoch ausdrücklich ab.
Präsident Geingob warf der Bundesregierung in seiner Erklärung am Samstag vor, den von Deutschland begangenen "Völkermord noch nicht vollständig wiedergutgemacht" zu haben.
Mit Informationen von dpa und AFP
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