Das Gestein am Großglockner bewegt sich relativ schnell. Genauer gesagt: 70 Zentimeter in zwei Jahren, so dass der Hang immer näher an die Stüdlhütte heranrückt. Auf 2.802 Metern ist sie der Ausgangspunkt für viele Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die sich über den Luisen- oder den Stüdlgrat auf den Gipfel des Großglockners wagen. Doch die Frage ist, wie lange das noch so sein wird.
Denn durch den Klimawandel schmilzt nicht nur das sichtbare Eis der Gletscher in den Alpen, sondern auch der Permafrost im Gestein. Dieses gefrorene Wasser in den Felsklüften und Gesteinsporen ist ein Kitt für die hohen Berge ab 2.800 Metern. Wenn dieser Permafrost auftaut, beeinflusst das die Stabilität des Felsens.
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Ist die Stüdlhütte noch zu retten?
Der Deutsche Alpenverein, dessen Sektion Oberland die Stüdlhütte gehört, hat wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag gegeben. Denn die Hütte ist nur zu retten, wenn sich die Hangbewegung verlangsamen lässt. Deshalb haben Professor Michael Krautblatter von der TU München und sein Team dort zunächst geophysische und geoelektrische Untersuchungen durchgeführt.
So konnten sie den thermischen Zustand des Hanges bestimmen und feststellen, wie viel Gestein noch gefroren ist. "Dabei haben wir gesehen, dass eines der Hauptprobleme das Dachwasser der Hütte ist. Denn es fließt mit drei, vier Grad plus in den Boden hinein und transportiert diese Wärme in mehrere Meter Tiefe", so Krautblatter.
Hütten verursachen Wärme
Der Permafrost im Gestein gerät daher von zwei Seiten in Bedrängnis: Zum einen durch frühzeitiges Schmelzen des Schnees wie in diesem Sommer, so dass eine schützende Schicht von oben fehlt. Zum anderen durch hochalpine Hütten, die ihrerseits Wärme an die Umgebung abgeben. "Eine erste und wichtige Maßnahme an der Stüdlhütte ist, die Drainage von der Materialseilbahn und dem Gebäude so zu verändern, dass wir das ganze Wasser ableiten, damit es nicht in den Boden gelangt", erklärt Krautblatter. Ansonsten würde das warme Wasser die Abwärtsbewegung des Hanges weiter beschleunigen. Aber auch über den Fußboden strahlt die Raumtemperatur einer Hütte in den Felsen hinein.
Hochwildehaus gefährdet
Um die Erwärmung des Gesteins in Nähe einer Hütte zu verringern, werden die Bauten mittlerweile nach unten isoliert. Es gibt auch aufwändige Methoden, bei denen beispielsweise ein Gebäude angehoben und von unten belüftet wird. Darüber hinaus werden generell auch bauliche Maßnahmen angewandt, um Berghänge zu stabilisieren – beispielsweise mithilfe von sogenannten Felsankern. Das alles ist aufwändig und teuer.
So werden künftig große Investitionen auf den Deutschen Alpenverein und seine Sektionen zukommen. Denn der DAV hat allein 37 Hütten, die in über 2.500 Meter Höhe liegen und damit tendenziell vom Klimawandel bedroht sind. Das Hochwildehaus in den Ötztaler Alpen ist bereits akut gefährdet und seit 2016 geschlossen, berichtet Hanspeter Mair, Bereichsleiter Alpine Raumordung beim DAV Bundesverband. "Um das Gebäude zu stabilisieren, wurde es vierseitig verspannt. Es ist noch unklar, wie es weitergeht. Wir beraten noch mit der betroffenen Sektion Karlsruhe, ob die Berghütte erhalten bleiben kann und soll", so Mair.
Gipfeltouren und Zustiege werden schwieriger
Nicht weit entfernt liegt das Ramolhaus. Dort sind die Gäste zwar nicht von einer Schließung betroffen, doch die Bergsteiger beratschlagen, wie sie am besten auf den 3.537 Meter hohen Schalfkogel gelangen können. Denn der warme Sommer in diesem Jahr lässt Schneefelder schneller schmelzen als in den Jahren zuvor. Dadurch erwartet die Bergsteiger mehr Schutt und brüchiger Stein statt Schnee und Eis, auf dem sie mit entsprechender Ausrüstung besseren Halt finden würden.
Doch nicht nur Gipfeltouren, auch die Zugstiege zu hochalpinen Hütten sind gefährdet. So musste beispielsweise der Klettersteig hoch zur Oberwalderhütte am Großglockner schon modifiziert werden, weil der Hang in Bewegung ist. Auch eine Verlegung des Weges zum Tauschachhaus war aus ähnlichen Gründen nötig, sagt Hanspeter Mair.
Weitere Probleme durch den Klimawandel
Die Erwärmung des Klimas wirkt sich auch auf die Versorgung von Bergsteigern auf Hütten aus. Beispiel Brandenburger Haus – mit 3.277 Metern ist sie die höchstgelegene Schutzhütte des Deutschen Alpenvereins (Sektion Berlin). Dort wird das Trinkwasser aus einem höher gelegenen Schneefeld gewonnen.
Doch es ist absehbar, dass es dieses Schneefeld in einigen Jahren nicht mehr geben wird. Woher soll dann das Trinkwasser in so großer Höhe kommen? "Da werden wir vor große Herausforderungen gestellt", resümiert Hanspeter Mair. Beim Neubau von Berghütten und Seilbahnen müssen alle diese Aspekte in Zukunft noch stärker berücksichtigt werden.
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