Nach dem Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der vorgezogenen Parlamentswahl stehen die Niederlande vor einer schwierigen Regierungsbildung. Wilders' PVV kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 37 von 150 Parlamentssitzen und verdoppelte damit fast ihr Ergebnis von 2021. Nun muss der 60-Jährige die Herausforderung meistern, eine Koalition mit Rivalen zu bilden, die dies ausgeschlossen haben.
Wilders bereit zur Machtübernahme
Der Rechtspopulist ist als "niederländischer Trump" bekannt - nicht nur wegen seiner ähnlich wie bei Ex-US-Präsident Donald Trump nach hinten gekämmten blond gefärbten Haare, sondern auch wegen seiner Hetze gegen Einwanderer und Muslime. Wilders' Sieg kommt für die Niederlande einem politischen Erdbeben gleich.
Ob der 60-Jährige jedoch eine Koalition bilden kann, ist offen. Wilders bekräftigte am Abend seine Entschlossenheit zur Übernahme der Regierung: "Die PVV will (...) mit anderen Parteien zusammenarbeiten, und das bedeutet, dass alle Parteien - auch die unsere - über ihren Schatten springen müssen." Um regieren zu können, braucht eine Koalition mindestens 76 Sitze im Parlament. Es ist jedoch unklar, wie Wilders die mindestens 76 Sitze im Parlament zusammenbekommen könnte, die er für eine arbeitsfähige Koalition braucht.
Das Mitte-Links-Bündnis Groenlinks/PvdA mit seinem Chef Frans Timmermans kommt nach den fast vollständigen Ergebnissen auf 25 Sitze im Parlament, das sind acht mehr als bislang. Danach folgt die bürgerlich-konservative VVD des scheidenden Regierungschefs Mark Rutte mit nur 24 Sitzen (-10). Die neu gegründete Partei Neuer Sozialer Vertrag des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt kommt demnach auf 20 Sitze.
Moderatere Töne von Wilders im Wahlkampf
Die PVV von Wilders war in den vergangenen Wochen in den Umfragen immer weiter gestiegen. Vorsitzende anderer großer Parteien hatten bereits im Vorfeld erklärt, sich einer von der PVV geführten Koalition nicht anschließen zu wollen. Omtzigt schien von dieser Position aber abzuweichen und sagte, er stehe "zur Verfügung" - wenn auch die Koalitionsgespräche "nicht einfach" sein würden. Der ehemalige EU-Kommissar Timmermans schloss eine Koalition mit Wilders hingegen erneut aus und erklärte: "Jetzt ist es an der Zeit, die Demokratie zu verteidigen". Wilders will unter anderem alle Moscheen schließen und den Koran verbieten. Im Wahlkampf hatte er allerdings moderatere Töne angeschlagen und gesagt, der Kampf gegen den Islam habe derzeit keine Priorität. Stattdessen will er die Grenzen für Asylsuchende schließen. "Die Niederländer hoffen, dass die Menschen ihr Land zurückbekommen und dass wir dafür sorgen, dass der Tsunami von Asylbewerbern und Einwanderern reduziert wird", so Wilders.
Neue Regierungsbildung wegen Streit über Migrationspolitik
Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem im Sommer Ruttes Mitte-Rechts-Koalition nach nur 18 Monaten im Amt geplatzt war. Anlass dafür war ein Streit über Migrationspolitik. Rutte, der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, hatte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik angekündigt, er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zum Antreten einer neuen Regierung bleibt er allerdings noch im Amt. Zu der Wahl am Mittwoch waren gut 13 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen.
Niederländische Muslime in Sorge nach Wilders-Sieg
Niederländische Muslime befürchten nach dem Wahlsieg Wilders eine Periode der Unsicherheit. "Als praktizierender Muslim mache ich mir Sorgen", sagte Muhsin Köktas, Vorsitzender eines muslimischen Interessenverbands, im niederländischen Fernsehen. "Auf Muslime kommt eine schwierige Zeit zu", so Köktas weiter. Er verwies darauf, dass Wilders' Partei Moscheen schließen und den Koran verbieten wolle. Wenn Wilders dieses Programm jetzt in einer Regierung umsetzen sollte, könnten Muslime in den Niederlanden ihre Religion nicht mehr frei ausüben.
Der Wahlsieg von Wilders in den als liberal geltenden Niederlanden schockte viele etablierte Parteien. Auch Flüchtlingsorganisationen reagierten entsetzt. Der noch amtierende Ministerpräsident, Mark Rutte, wollte nicht auf den Wahlsieg des Rechtspopulisten reagieren. Eine Reaktion überlasse er der Spitzenkandidatin seiner Partei VVD, Dilan Yesilgöz, sagte Rutte in Den Haag vor Reportern. "Als Premier habe ich keine Meinung zum Wahlergebnis."
Gratulationen von rechten Parteien aus Europa
Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten Wilders' Triumph. "Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!", schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders.
Mit Material von dpa und AFP
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