Die Europawahl gilt als Nebenwahl – zu Unrecht, denn das Europäische Parlament hat mehr Einfluss als so manches nationale. Die Wahl selbst ist in Deutschland recht einfach – aber auch eher unpersönlich. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viele Sitze hat Deutschland?
Bei der Europawahl hat jedes Mitgliedsland eine feste Anzahl von Sitzen. Als bevölkerungsreichster Mitgliedsstaat entsendet Deutschland die meisten Abgeordneten ins Europaparlament, nämlich 96. Kleine EU-Mitglieder sind im Vergleich zu den großen überrepräsentiert. So vertritt ein/e deutsche/r Abgeordnete/r rund 850.000 Bürgerinnen und Bürger, in Malta sind es beispielsweise 65.000.
Welches Wahlsystem gilt in der EU?
In jedem Mitgliedstaat wird – so will es das EU-Recht – nach dem Prinzip der Verhältniswahl gewählt, das heißt, das Stimmenverhältnis soll möglichst dem Sitzverhältnis entsprechen. Prozenthürden (siehe unten) können jedoch schwächere Parteien ausschließen. Den einzelnen Ländern steht es frei, ob sie die Verhältniswahl mit übertragbaren Einzelstimmen oder – wie in Deutschland – mit Parteienlisten umsetzen.
Wieviele Stimmen habe ich?
Die Europawahl ist in Deutschland einfach. Jede/r Wahlberechtigte hat eine einzige Stimme, mit der er oder sie eine Parteienliste ankreuzt. Auf die von den Parteien festgelegt Reihenfolge der Listen-Kandidaten haben die Wähler und Wählerinnen keinen Einfluss. Die Parteien können entweder eine bundesweite Liste aufstellen oder in jedem Bundesland eine eigene. Die zweite Möglichkeit werden Parteien ergreifen, die wie CDU oder CSU ohnehin nicht bundesweit agieren.
Bundesweite Liste oder Landeslisten?
Weil eine große Zahl an Wahlberechtigten relativ wenige Sitze bestimmt, machen ansonsten Landeslisten in kleineren Ländern wenig Sinn. Würde eine Partei zum Beispiel in Bremen eine solche Liste aufstellen, bräuchte sie mehr als 60 Prozent der Stimmen, um einen Abgeordneten aus der Hansestadt ins Europaparlament zu bringen.
Im Video: Europawahl: Starre Listen, eine Stimme
Gibt es 2024 eine Prozenthürde?
Anders als bei den Abstimmungen zum Bundestag und zu den Landtagen gibt es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bei der Europawahl erneut keine Prozenthürde. Das hat zur Folge, dass auch Parteien, die bei nationalen Wahlen (meistens) ohne Chancen sind, Parlamentarier nach Straßburg schicken.
Das gilt vermutlich nur noch 2024. Der Bundestag ebnete im Juni 2023 der deutschen Zustimmung zu einem neuen EU-Gesetz den Weg, das in Deutschland frühestens ab den Europawahlen 2029 eine Hürde von mindestens zwei Prozent aufstellt.
Können auch 16-Jährige abstimmen?
Bei der Wahl des Europaparlaments dürfen in Deutschland künftig auch 16- und 17-Jährige ihre Stimme abgeben. Im November 2022 senkte der Bundestag das Mindestalter für die Teilnahme an der Europawahl, mit Stimmen von Ampel und Linken, von 18 auf 16 Jahre. Union und AfD votierten dagegen. Die Zahl der Wahlberechtigten steigt damit um knapp 2,3 Prozent.
Doppelpass = Doppelwahl?
Wenn man eine doppelte Staatsbürgerschaft von zwei europäischen Ländern besitzt, darf man trotzdem nur einmal wählen. Schon der Versuch, zweimal abzustimmen, ist strafbar. Jeder EU-Bürger darf nur einmal abstimmen. In seinem Heimatland (oder bei Doppelpassbesitzern in einem davon) oder in dem Land, in dem man wohnt. Um Betrug vorzubeugen, kommen EU-Bürger – anders als bei Kommunalwahlen – außerhalb ihres Heimatlandes nur auf Antrag ins Wählerverzeichnis.
Im Video: Europawahl - Doppelpass = Doppelwahl?
Ist die Europawahl eine Nebenwahl?
Der Einfluss des Europaparlaments ist nicht zu unterschätzen. Mit den Verträgen von Maastricht 1992 und Lissabon 2007 bekam es immer mehr Befugnisse. Das Parlament ist neben dem Ministerrat gleichberechtigter Mitgesetzgeber – unter anderem in so wichtigen Bereichen wie dem Asylrecht, dem Verbraucher- und Umweltschutz sowie bei Fragen des Binnenmarkts.
Welche Kompetenzen hat das Europaparlament?
Die Abgeordneten entscheiden gemeinsam mit dem Ministerrat über den Haushalt der EU. Das Parlament wählt den Präsidenten der EU-Kommission und kann den Rücktritt dieses Gremiums per Misstrauensvotum erzwingen.
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