Müll auf dem Marienplatz in München
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Wie nachhaltig ist die EM? Kritik von der Umwelthilfe

Wie nachhaltig ist die EM? Kritik von der Umwelthilfe

Die Fußball-EM in Deutschland soll das "bisher nachhaltigste Turnier" sein. Doch die Umwelthilfe beklagt Defizite bei der Umsetzung, etwa beim Müll und der Mobilität. So manche Frage zu Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung bleibt offen.

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Noch vor der Fußball-EM 2024 stand für UEFA und DFB bereits eine Gewinnerin fest: die Nachhaltigkeit. Das Turnier werde neue Maßstäbe bei Sportgroßveranstaltungen setzen – "sozial, ökologisch und auch ökonomisch", erklärten der europäische wie der deutsche Fußballverband. Laut UEFA sollte es das nachhaltigste Turnier der Geschichte werden.

Die Vision sei, "die Referenz in Sachen Nachhaltigkeit von Veranstaltungen für die Welt des Sports und eine treibende Kraft für eine nachhaltige Entwicklung der deutschen und europäischen Gesellschaft" zu werden, hieß es in einem Strategiepapier.

Viel Plastik für EM-Merchandising

Doch kurz vor dem Finale der Fußball-EM in Deutschland zieht die Deutsche Umwelthilfe ein kritisches Fazit. Die nachhaltigste EM aller Zeiten sei es sicher nicht gewesen, resümierte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe im ZDF-"Morgenmagazin". Die EM habe zwar gezeigt, dass Nachhaltigkeit umsetzbar sei, man müsse aber noch ein paar Schritte mehr gehen, sagte sie.

Metz hob positiv hervor, dass Mehrwegbecher in den Stadien und Fanzonen angeboten wurden, "da hätte man aber noch einen Schritt weitergehen und auch überall Nahrungsmittel in Mehrweg ausgeben können." Darüber hinaus sei für das EM-Merchandising viel Plastik überproduziert worden. Artikel würden wahrscheinlich schnell wieder in Schubladen oder im Müll landen, so die Umwelthilfe.

Flüge während der EM: Wären noch mehr vermeidbar gewesen?

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Kurzstreckenflüge mehrerer Nationalmannschaften. Schon im Juni kritisierte die Umwelthilfe: Bei genauer Betrachtung hätte der Anteil von Flugreisen und die Zahl der Reisekilometer noch geringer sein können. Die Spanier beispielsweise trugen ihre Gruppenspiele in Berlin, Gelsenkirchen und Düsseldorf aus – ihr Teamquartier bezogen sie aber im Süden Deutschlands. Die Fahrt der türkischen Auswahl mit dem Bus nach Hamburg hätte gute zwei Stunden gedauert – doch stattdessen wurde eine Chartermaschine vom Flughafen Hannover gebucht.

Die UEFA erklärt auf der Website, dass Flugreisen bei der EM 2025 im Vergleich zur EM 2016 in Frankreich eingeschränkt wurden. Vor acht Jahren seien mehr als 75 Prozent der Mannschafts-Reisen zu Gruppenphase-Spielen per Flugzeug absolviert worden. In Deutschland werde dies auf 25 Prozent gedrückt. Die Austragungsorte und Spiele wurden für die Gruppenphase in drei geografische Cluster sortiert, um den Reiseaufwand für Mannschaften und Fans weitgehend zu reduzieren. Die Deutsche Nationalmannschaft habe einen Ort nahe ihrer Gruppenphase-Spiele gewählt, schreibt die UEFA auf der eigenen Website (externer Link).

Sponsoren und Trikots: Fairness und Nachhaltigkeit der EM-Partner

Und es gibt noch weitere offene Fragen, was die EM und die Nachhaltigkeit angeht. Etwa wie es mit den Nachhaltigkeits-Zielen zusammenpasst, dass das umstrittene Billig-Versandhaus Aliexpress zu den Geldgebern der EM gehört. Der Online-Shop verkauft Produkte zu absurd günstigen Preisen und liefert zum Großteil von China aus in die ganze Welt.

Und wie steht es um die Produktion der Trikots? Sie sind das Wappenschild einer Mannschaft, haben hohen Symbolcharakter. Doch die können auch Sinnbilder einer ausbeuterischen Textilindustrie sein. Wie fair läuft die Herstellung der Trikots ab? DFB-Ausstatter Adidas erklärt auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das Unternehmen achte seit 25 Jahren auf faire und sichere Produktion. Im Dezember hatte Arbeitsminister Heil den Konzern besucht, um sich über faire Produktion von Bällen und Schuhen zu informieren.

Zugleich stand die Firma aber in eben diesen 25 Jahren auch in der Kritik. 2021 und 2024 warfen Aktivisten und ein kambodschanischer Gewerkschaftsführer dem Sportausstatter vor, während der Corona-Pandemie Lohndiebstahl an asiatischen Arbeitern betrieben zu haben. Das Unternehmen wies die Anschuldigungen entschieden von sich.

Inwieweit der DFB selbst besonderen Wert auf faire Produktion legt, ließ der Verband unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob es für die Zukunft besondere Fairness-Strategien gebe. Es steht ein Ausstatter-Wechsel von Adidas zu Nike bevor. Der neue Partner steht indes genauso in der Kritik wie der alte.

Nachhaltigkeit und Fairness? Deutsche Vereine halten sich bedeckt

Mit Blick auf die einzelnen deutschen Vereine erklärt die DFL, die Proficlubs seien verpflichtet, ihre Lieferketten "kritisch zu beleuchten". Außerdem verweist der Verband auf die Nachhaltigkeitsinitiative "Vom Feld in den Fanshop", der einige Proficlubs angehörten. Eine Anfrage der KNA unter allen Erstligaclubs der vergangenen Saison, wie das im Alltag praktiziert wird, beantworten die meisten Vereine jedoch nicht.

Vizemeister VfB Stuttgart gibt Auskunft. Laut einem Sprecher gehört der VfB zu den Vereinen, die sich der Initiative "Vom Feld in den Fanshop" angeschlossen haben. Zudem sei der VfB-Textillieferant Träger des Bundes-Siegels "Grüner Knopf". Sportkleidung mit ähnlichen Siegeln nutzen nach eigenen Angaben auch der VfL Bochum und der SC Freiburg. Ein Vereinssprecher des Hamburger FC Sankt Pauli erklärt: "Seit mehr als 15 Jahren achtet der FCSP auf faire Produktionsbedingungen. Nach einem entsprechenden Mitgliederantrag im Jahr 2016 hat der Verein dann sein Sortiment Stück für Stück umgestellt." Sankt Pauli ist offiziell Partner der "Fair Wear Foundation".

Machbarkeitsstudie: Klimaneutrale EM?

Zurück zur EM 2024 und der Frage, wie nachhaltig ein solches Turnier ist. Das Öko-Institut e.V. hatte 2022 Ergebnisse einer "Konzept- und Machbarkeitsstudie 'klimaneutrale' UEFA EURO 2024" (externer Link) veröffentlicht. Ziel der Studie waren Klimaschutzmaßnahmen zu entwickeln im Hinblick auf eine womöglich "klimaneutrale" Ausrichtung des Turniers.

Für die EM 2016 in Frankreich, die ohne coronabedingte Einschränkungen stattfinden konnte und in geografischer Nähe zu Deutschland stattfand, lag das Ergebnis bei ca. 600.000 Tonnen CO2-Äquivalente, wie neben der Öko-Institut-Studie auch der UEFA-Bericht nach Turnierende (externer Link) zeigte. Die sehr hohen Emissionen aufgrund von Stadionneubauten sind bei dieser Zahl nicht in voller Höhe berücksichtigt.

Mögliche Emissionen einer EM 2024 in Deutschland bezifferte die Studie des Öko-Instituts aus dem Jahr 2022 nach der Vorabanalyse auf ca. 490.000 Tonnen CO2-Äquivalente. Die EM 2024 würde damit im Rahmen der Ergebnisse für ähnliche Sportgroßveranstaltungen liegen. Wie hoch die Emissionen dann tatsächlich ausgefallen sind, bleibt abzuwarten.

Mit Informationen von dpa und KNA

Zum Hören (Archiv 16.08.2023): Nachhaltigkeit in der Fußball-Bundesliga – was hat sich getan?

Die Bundesliga macht in Sachen Nachhaltigkeit leichte Fortschritte
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Die Bundesliga macht in Sachen Nachhaltigkeit leichte Fortschritte

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