Es sind schwere Vorwürfe, die Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck und des Bundesumweltministerins von Steffi Lemke (beide Grüne) gemacht werden: Das Magazin "Cicero" berichtet, dass sie Bedenken gegen den Sinn eines fristgerechten Atomausstiegs unterdrückt haben [Externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt]. – Dass also ein "einflussreiches Netzwerk der Grünen" einen "Ausstieg vom Ausstieg" verhindert haben soll. Der Artikel bezieht sich auf Akten zum Atomausstieg aus den Jahren 2022 und 2023, auf deren Herausgabe das Magazin "Cicero" erfolgreich geklagt hatte.
Bundesumweltminister Habeck soll falsch informiert worden sein
Laut dem Bericht haben Experten einen jahrelangen Weiterbetrieb der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke sicherheitstechnisch für möglich erklärt. Sie sollen dazu geraten haben, diese Möglichkeit weiter zu prüfen. Das Dokument soll laut dem Ministerium in der Leitungsebene nur Staatssekretär Patrick Graichen vorgelegen haben – er musste sein Amt später nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft räumen. Laut dem Cicero-Bericht entsteht der Eindruck, dass Bewertungen innerhalb des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums so geändert wurden, dass ein Ausstieg zwangsläufig erschien. Wirtschaftsminister Habeck habe die ursprüngliche Version des Experten-Vermerks allerdings nicht auf den Tisch bekommen.
Wirtschaftsministerium weist Bericht über "Täuschungen" zurück
Das Wirtschaftsministerium teilt dazu mit: Die Darstellung des Magazins sei "verkürzt und ohne Kontext", entsprechend seien die daraus gezogenen Schlüsse "nicht zutreffend". Das Papier sei in einen später veröffentlichten Prüfvermerk der beiden Ministerien eingeflossen. Darin sei gegen eine Laufzeitverlängerung argumentiert worden – allerdings unter Verweis auf sehr hohe wirtschaftliche Kosten und verfassungsrechtliche sowie sicherheitstechnische Risiken.
Außerdem heißt es aus dem Ministerium, man habe sich seit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob und inwiefern eine Laufzeitverlängerung der drei damals noch laufenden deutschen Atomkraftwerke die Energiesicherheit erhöhen könne. Diese Prüfung sei stets ergebnisoffen und transparent erfolgt. Maßgabe aller Entscheidungen sei immer die Versorgungssicherheit gewesen.
Im April 2023 schaltete Deutschland seine letzten AKW ab
Eigentlich hätten die drei Atomkraftwerke, die zu Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar 2022 noch am Netz waren, Ende desselben Jahres abgeschaltet werden sollen. Als im Sommer die Gaslieferungen aus Russland dann zuerst gedrosselt und später ganz gestoppt wurden, beschloss die Bundesregierung, die Laufzeiten der drei AKW bis Mitte April zu verlängern.
Unterlagen, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegen, zeigen, dass auch die drei Akw-Betreiber EnBW, Eon und RWE innerhalb des Jahres 2022 ihre Meinung zu einer Laufzeitverlängerung änderten. Ende Februar waren sie noch klar dagegen, ab Juni änderten sie ihre Aussage und teilten mit, dass ein Streckbetrieb doch möglich sei. Kanzler Olaf Scholz (SPD) entschied schließlich, dass er zwar die die Abschaltung unterstützte – aber mit Übergangsfrist.
Vor dem Hintergrund hoher Energiepreise gibt es seitdem immer wieder Forderungen aus der Wirtschaft, der FDP und der CDU nach einer Rückkehr zur Atomkraft.
Union fordert Aufklärung und droht mit Konsequenzen
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Oßner aus dem Bundeswahlkreis Landshut-Kelheim, in dem das Kernkraftwerk Isar 2 liegt, spricht in einer Pressemitteilung von einem "Wirtschaftsskandal allererster Güte". Ihm zufolge wurde "Ideologie mit der Brechstange vor wirtschaftlicher Vernunft durchgesetzt".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, schrieb auf der Plattform X: "Der alte Verdacht erhärtet sich: Beim Kernkraft-Aus wurden Parlament und Bevölkerung belogen". Er droht mit einem Nachspiel, sollte Habeck nicht alle Akten zum Aus der AKW auf den Tisch legen – unter anderem heiß es aus der Union, es könnten schnelle Sondersitzungen von Bundestagsausschüssen nötig sein – oder auch ein Untersuchungsausschuss, sollte Habeck die Aufklärung verweigern.
Mit Informationen von dpa, AFP und reuters
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