Die Staatsanwaltschaft München II hat nach dem Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen ein Ermittlungsverfahren gegen drei Mitarbeiter der Deutschen Bahn eingeleitet. "Unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft München II ermittelt die Soko Zug derzeit gegen drei Mitarbeiter der Deutschen Bahn unter anderem wegen des Verdachts der Fahrlässigen Tötung", teilte das Polizeipräsidium Oberbayern Süd dazu mit.
Nach Informationen der "BILD" und des ZDF soll es sich bei den drei Personen um den Lokführer, den Fahrdienstleiter und den Streckenverantwortlichen handeln. Auf Anfrage des BR konnte die Staatsanwaltschaft München II diese Angaben jedoch weder bestätigen noch dementieren.
Soko "Zug" ermittelt
Die Soko "Zug" führt seit einigen Tagen die Ermittlungen zur Ursache des Zugunglücks unter der Leitung der Staatsanwaltschaft München II. Die Beamten der Soko werden dabei vom Eisenbahnbundesamt und der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung unterstützt. Des Weiteren hat die Staatsanwaltschaft unabhängig davon einen externen Gutachter zur Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens beauftragt.
Fahrgestelle und Gleisanlage im Fokus
Bei den Ermittlungen waren zuletzt die Fahrgestelle und Schienen in den Fokus gerückt. Fahrgestelle wurden bereits sichergestellt, am Unglücksort fanden Untersuchungen zur Unglücksursache statt. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zufolge waren alle Experten vor Ort der Meinung, "dass die wahrscheinlichste Ursache ein technischer Defekt am Gleis oder am Zug sein müsste".
- Lesen Sie hier: "Zugunglück: Strecke sollte offenbar von Bahn saniert werden"
ARD-Bahnexperte hält Verschleiß an Schienen für möglich
Noch sind die Informationen der Staatsanwaltschaft zu den Ermittlungen spärlich. ARD-Bahnexperte Christian Hinkelmann leitet allerdings eine Annahme ab: "Man kann den Schluss daraus ziehen, dass sich die Ermittlungen offensichtlich darauf konzentrieren, ob entweder an der Schienenstrecke oder an dem Zug selbst irgendetwas nicht stimmte."
Hinkelmann erklärt im Gespräch mit Tagesschau24: "Wenn ein Zug mit höherer Geschwindigkeit in eine Kurve fährt, drücken ihn die Fliehkräfte nach außen. Die Räder verschleißen die Schienen Stück für Stück. Normalerweise hält eine Schiene unter optimalen Bedingungen 20 bis 40 Jahre. In Kurvenlagen kann es sein, dass eine Schiene sehr viel schneller verschleißt."
Ein Teil der Ermittlungen wird sich sicherlich auch mit dieser Fragestellung beschäftigen, vermutet Christian Hinkelmann. Er hat sich die Fotos der Unfallstelle angeschaut und bilanziert: "Man sieht, bei aller Vorsicht, dass es an der äußeren Schiene in der Kurve Schleifspuren, Einkerbungen gibt. Nun ist die Frage, befinden sie sich noch im Rahmen der üblichen Toleranz, sodass man weiter mit der normalen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fahren kann oder halt nicht – das wird sicher Teil der Ermittlungen sein."
Normalerweise sei es so, dass das Schienennetz in Deutschland ganz streng reguliert und überprüft werde. Schienenmessfahrzeuge seien unterwegs, die Schienen genau überprüfen. Je nachdem wie verschlissen eine Schiene ist, könne angeordnet werden, dass die Streckenhöchstgeschwindigkeit heruntergesetzt wird, bis die Stelle repariert ist. Christian Hinkelmann betont, dass es aber auch sein könne, dass die Unfallursache eher an den Rädern und am Zug zu suchen sei – das lasse sich zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Bahn plante Sanierungsarbeiten an der Strecke
Am Montag war bekannt geworden, dass die Deutsche Bahn auf der Unglücksstrecke in Kürze Sanierungsarbeiten an den Gleisen plante. Demnach sollten vom 25. Juni bis 9. Juli zwischen Oberau und Garmisch-Partenkirchen eine nächtliche Gleislageberichtigung und Schienenerneuerungen stattfinden.
Tatsächlich war die Bahnstrecke zwischen Murnau und Garmisch-Partenkirchen wegen Hochwasser der Loisach nach Erkenntnissen des BR mehrere Wochen nicht befahrbar, Reparaturarbeiten am Bahndamm könnten damit möglicherweise in Zusammenhang stehen.
Deutsche Bahn: "Unterstützen die Aufklärung"
Die Deutsche Bahn teilte mit, sich wegen der laufenden Ermittlungen derzeit nicht äußern zu können. "Selbstverständlich setzen wir alles daran, die ermittelnden Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache zu unterstützen", sagte ein Bahnsprecher.
Fünf Menschen starben
Der Regionalzug von Garmisch-Partenkirchen nach München war am Freitagmittag kurz nach der Abfahrt entgleist, vier Frauen und ein laut Polizei Teenager aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen starben, rund 40 Menschen wurden verletzt, eine Frau befindet sich laut Polizei weiter in einem kritischen Zustand.
Zwei der getöteten Frauen im Alter von 30 und 39 Jahren stammten nach Angaben der Polizei aus der Ukraine. Unter den Opfern befinden sich außerdem eine 51-Jährige aus Wiesbaden sowie eine 70-jährige Frau aus dem Landkreis München.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!