Der Disney-Konzern dürfte sich einen besseren Jahresabschluss gewünscht haben als diesen: Der neueste Animationsfilm "Wish", in dem es um die Kraft des Wünschens geht, floppte bislang an den Kinokassen: Nur knapp 32 Millionen Dollar spielte er am Startwochenende über Thanksgiving in den USA ein. "Sie brauchen einen Hit, so wie Barbie", meint der Wirtschaftsjournalist der New York Times James Stewart bei CNBC.
Für klein und groß: unzählige Trickfilmklassiker
Über Jahrzehnte war Disney extrem erfolgreich, stand für technische Innovation und ein bisschen Magie. Dafür hatte Firmengründer Walt Disney gesorgt: Mit "Schneewittchen" brachte er den ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm heraus und gewann einen Oscar. Disneys Zeichentrickfilme wurden zu Hits: "Bambi", "Alice im Wunderland" oder "Das Dschungelbuch". Allesamt Klassiker heutzutage. Walt Disney war sich immer darüber im Klaren, das die Filme nicht nur Kindern gefallen müssen, sondern gerade auch den Erwachsenen. Denn die hätten schließlich das Geld fürs Kinoticket.
Star Wars, Pixar oder Marvel: Megakonzern Disney
Disney wird in der Folge zum Megakonzern: Kreuzfahrten, Hotels, Vergnügungsparks und vor allem Merchandise bringen dem Konzern Milliardengewinne ein. Der spätere Disney Chef Bob Iger investierte immer wieder, unter anderem Milliarden in starke Marken wie Star Wars, Pixar oder Marvel. Für viele Jahre sind sie der Garant für Erfolge an den Kinokassen. "Avengers: Endgame" zum Beispiel wird zum Film mit den höchsten Ticket-Einnahmen aller Zeiten.
Zu viel, zu teuer, zu schlecht
Doch so langsam verblasst der Glanz: "Es gibt eine Superhelden-Müdigkeit und auch bei den Prinzessinnen-Filmen. Die Magie der Pixar-Filme ist weg. Alles gleichzeitig. Sie brauchen einen kreativen Neustart", glaubt der Wirtschaftsjournalist Stewart.
„Wir haben etwas den Fokus verloren!“ gab Disney-Chef Bob Iger – er hatte das Unternehmen bis 2020 geleitet und wurde dann Ende November 2022 erneut als Geschäftsführer verpflichtet – bei der Jahresbilanzkonferenz zu. „Als die Pandemie die Welt traf, hatte das Filmstudio gerade ihre Anzahl an Produktionen drastisch erhöht. Ich hatte immer das Gefühl, dass Quantität sich negativ auf Qualität auswirken kann. Und genau das ist passiert“, so Iger weiter.
Die mangelnde Qualität rächte sich bitter am sog. „Box Office“. Fast alle großen Disney-Filme dieses Jahr floppten: „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, der Pixar-Film „Elementals“, die Komödie „Die Geistervilla“, nicht zuletzt die Marvel-Produktionen „Ant-Man & the Wasp: Quantumania“ und „The Marvels“. Und nun auch Disneys Weihnachts-Animationsfilm „Wish“.
2023 ist seit 2015 das erste Jahr, wo es Disney nicht gelingt, mit einem ihrer Filme die Milliarde an Box-Office-Einnahmen zu knacken. Gerade im direkten Vergleich mit 2022 wird der Misserfolg schmerzhaft deutlich. 2022 hatte Disney mit „Avatar – The Way of Water“, den Marvel-Filmen ” Doctor Strange in the Multiverse of Madness”, “Thor: Love and Thunder” und “Black Panther: Wakanda Forever” eine ganze Reihe Milliarden-Hits – es war ein Rekordjahr. „Die Performance unserer jüngsten Filme war definitiv enttäuschend, und das nehmen wir nicht auf die leichte Schulter!“, so Disney-Chef Bob Iger im Herbst dieses Jahres.
Disney hat für Milliarden sog. IPs (Intellectual properties) aufgekauft, hat mit Marvel und Star Wars weltweit beliebte und bekannte Marken unter seiner Kontrolle. Und Disney verstand es 2023 einfach nicht, neue, spannende Geschichten aus diesen „Welten“ zu erzählen. Disney kreiert gerade Content, sehr teuren Content (Produktions- und Marketingkosten für „Indiana Jones 5“ ca. 400 Millionen Dollar), den keiner sehen will.
Das Erfolgsrezept geht nicht mehr auf
Die Idee Disneys, die hohen Produktionskosten von noch mehr Filmen als früher ganz einfach wieder einzuspielen, weil es sich ja um einen „Marvel“- und gar einen „Pixar“-Film handelt, sie geht nicht mehr auf. Da Disney mit immer neuen, inhaltlich mageren Inhalten nachlegt, kreiert der Konzern so eine „Marvel“- und „Star Wars“-Müdigkeit bei seinen Zuschauern. Brennt sie förmlich aus. Das Ergebnis sind abwandernde Abonnenten.
Das setzt sich im Streaming fort. Der hauseigene Dienst Disney plus ist nach wie vor defizitär. Seit dem Start in 2019 hat Disney plus ca. 11 Milliarden Dollar Verlust gemacht. In den letzten zwei Quartalen 2023 einen Verlust von über 890 Millionen Dollar. Exklusive Star-Wars-Serien wie die dritte Staffel von „The Mandalorian“ oder „Ashoka“ verzeichneten Publikumsschwund schon nach der Hälfte der Staffeln. Die Marvel-Serie „She Hulk“ kam nicht eine Staffel hinaus, die Marvel-Serie „Secret Invasion“ mit dem beliebten, von Samuel L. Jackson gespielten Charakter Nick Fury gilt heute als der größte Misserfolg unter den Marvel-Serien mit einer mageren 11%-Bewertung auf dem Internetportal „Rotten Tomatoes“. Quantität ersetzt eben nicht Qualität.
Superhelden-Müdigkeit und Konkurrenz von rechts
Außerdem stören sich einige Zuschauer daran, dass Disney sich sichtlich seit Jahren um mehr Diversität bemüht. Stichwort: die schwarze Arielle. Einerseits gab es Videos von begeisterten Kindern, die riefen, die neue Meerjungfrau sehe aus wie sie. Beim konservativen TV Sender Fox ätzten die Moderatoren dagegen, Disney sei zu links und zu woke geworden.
Filmblogger und Fans werfen den Filmen vor, die „woke“-Botschaft zu predigen, Diversität – ohne Frage eine gute Entwicklung im Film – nicht als gegeben, sondern als Botschaft um jeden Preis auf Kosten einer stimmigen Geschichte zu transportieren, sie dem Zuschauer „um die Ohren zu hauen“. Das sei wenig attraktiv. Männliche Kino-Ikonen wie Indiana Jones würden zu „Weicheiern“ deformiert, „Disney hasst Männer!“ ist ein Slogan, der sich dieser Tage bei sehr vielen Youtube-Videos findet. Es gibt mittlerweile sogar einen Streaming-Service für Kinder namens Bentkey, gedacht als konservative Alternative zu Disney plus.
Dazu kommen weitere Probleme: Die Ticket-Verkäufe in den Vergnügungsparks sind in diesem Jahr rückläufig, und in den USA wird der Konzern von Konservativen teils boykottiert, nachdem sich Disney mit Floridas Gouverneur Ron DeSantis angelegt hatte.
Disney kritisierte das sogenannte "Don't say gay"-Gesetz, das in Floridas Schulen das Thema Homosexualität und Geschlechtsidentität einschränkt.
Wie soll es weitergehen?
Die Reaktionen des Micky-Maus-Konzerns auf diese Krisen: sparen. Disney entließ allein in diesem Jahr 7.000 Mitarbeiter. Disney-Chef Bob Iger sagte im Sommer, man wolle außerdem demnächst weniger produzieren und insgesamt auch weniger Geld ausgeben. Krise statt Korken knallen, könnte man sagen. Zum 100. Geburtstag muss Disney sich die Frage gefallen lassen, wie das Unternehmen die nächsten 100 Jahre gestalten will. Dafür braucht es wohl mehr als einen guten Wunsch.
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