Ist ja immer unterhaltsam, wenn jemand nach der Weltherrschaft greift. Schon deshalb, weil es bekanntlich meist schief geht, sowohl bei James Bond, als auch bei Johann Christian Bach (1735 - 1782), einem Sohn des viel berühmteren Kirchenmusikers und Orgel-Genies Johann Sebastian. Der Nachwuchskomponist war zu seinen Lebzeiten ziemlich erfolgreich, vor allem in London, wo 1763 auch seine Oper "Zanaida" uraufgeführt wurde.
Darin kämpfen ausnahmsweise mal nicht die Männer um die Macht, sondern zwei Frauen. Die persische Königin Roselane würde gern alles haben: Ihr eigenes Reich und das benachbarte Osmanische gleich noch mit dazu - sie ist also politisch unersättlich. Ihre türkische Gegenspielerin, die titelgebende Prinzessin Zanaida, will dagegen Frieden stiften und ist eine Seele von Mensch: Demütig, duldsam, versöhnlich. Zwei Prinzipien prallen hier aufeinander, die imperiale Herrschsucht und die Sehnsucht nach Ruhe und Ordnung. Ziemlich aktuell, diese Konstellation, wenn man an gegenwärtige Kriege in Europa denkt.
Wie ganz frühe Computergrafiken
Ausstatterin Edith Kollath hatte einen überdimensionalen Webstuhl entworfen, um die Handlung zu illustrieren: Wer nach der Macht greift, muss ja immer viele Fäden auseinanderhalten und Verhaltensmuster kennen. Und der Orient, wo die Geschichte spielt, ist berühmt für seine Webkunst. Durchaus faszinierend, welche geometrischen Formen die Fäden dank der Drehbühne bilden, wie ganz frühe Computergrafiken.
Der Regisseurin Sabine Hartmannshenn ist allerdings nicht viel eingefallen, um das Frauenduell fesselnd zu interpretieren. Da wird immer wieder in das Faden-Dickicht gegriffen und mit Stoffbahnen hantiert, als ob demnächst eine Ethno-Modenschau stattfindet. Was das mit Krieg und Frieden zu tun haben soll, blieb rätselhaft, zumal Johann Christian Bach musikalisch gar nicht auf den Orient eingeht, der Schauplatz also völlig willkürlich gewählt ist, um dem Publikum eine gewisse Exotik zu bieten. Genauso gut hätte das Drama in Nordafrika oder Indien angesiedelt sein können.
Mäßigung wie es die Aufklärung empfahl
Die Oper ist allerdings auf pausenlose neunzig Minuten zusammengestrichen, so dass schon deshalb keine Langeweile aufkommen kann. Besonders mitreißend ist die Musik leider nicht, was daran liegt, dass Johann Christian Bach die hochemotionalen Effekt-Arien des Barock-Zeitalters hinter sich ließ und auf Mäßigung setzte, wie es die Aufklärung empfahl. Das wirkt aus heutiger Sicht, die immer noch von der Romantik geprägt ist, stark unterkühlt und schablonenhaft. Dass der Komponist erstmals Klarinetten einsetzte und ähnliche Neuerungen der Vorklassik anging, mag ihn ehren, macht das Rokoko-Werk aber weder melodisch, noch instrumental sonderlich spannend.
Was bleibt, ist der Enthusiasmus der jungen Darsteller von der Theaterakademie August Everding. Sie warfen sich mit viel stimmlicher Abenteuerlust in ihre Rollen, allen voran Harpa Ósk Björnsdóttir in der Titelrolle und Tamara Obermayr als weiblicher Bösewicht Roselane. Auch Geonho Lee als Mustafa und Katja Maderer als Osira bekamen verdienten Szenenapplaus.
Dirigent Oscar Jockel neigte etwas zum "Overacting", so ausgelassen und forsch, wie er den Takt vorgab. Manchmal raste er dem Münchner Rundfunkorchester voraus und musste dann einen Moment warten, bis es ihn wieder eingeholt hatte, mitunter bremste er zu spät und gestikulierte bis in die Pausen hinein. Das war wohl der Begeisterung zuzuschreiben. Viel Jubel für ein wieder entdecktes Werk, das eine ehrgeizigere Regie-Deutung verdient hätte.
Wieder am 10., 12., 14. und 16. März im Prinzregententheater München.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!