Ein Mitarbeiter eines Orgel-Herstellers testet die neue Orgel in der Würzburger Musik-Hochschule.
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High-Tech-Orgel für Würzburger Musik-Hochschule

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Neue Würzburger Hightech-Orgel weltweit einmalig

In der Würzburger Hochschule für Musik entsteht gerade eine der modernsten Konzertorgeln der Welt. Das sieht man ihr zwar nicht an. Aber die Fachwelt ist begeistert, das Instrument setzt neue Maßstäbe.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Die Würzburger Musikwelt wird bald um einen Schatz reicher sein. An der Hochschule für Musik entsteht gerade eine der modernsten Konzertorgeln weltweit. Der Neubau der Würzburger Hochschulorgel wird zu Beginn des neuen Jahres 2024 abgeschlossen. Dann wird das Instrument außer für Konzerte vor allem dem Studium dienen. Und der Traum von Orgelprofessor Christoph Bossert wird wahr, dass internationale Fachkolleginnen und -Kollegen in Würzburg Meisterkurse anbieten können, ohne dafür in die Stadt am Main kommen zu müssen. Denn sie werden die Würzburger Orgel auch von Tokio, Paris oder New York aus spielen können. Vorausgesetzt, ihr Instrument ist ebenso digital vernetzt wie die neue Klais-Orgel der hiesigen Hochschule für Musik.

Harmonisches Zusammenspiel von Musik und Handwerk

Bossert schwärmt im Interview von den technischen Möglichkeiten, die sich Studierenden durch das neue Instrument eröffnen. Die Orgel lässt sich etwa über mehrere Keyboards gleichzeitig ansteuern. Sechs- oder gar achthändige Orgelmusik wäre theoretisch möglich, was allein aus Platzgründen auf der Orgelbank bislang undenkbar erscheint. Aber auch das Spiel im Wechsel, ohne die Plätze zu tauschen. Und natürlich die Verschmelzung von mechanischer und digitaler Musikwelt.

Begeistert sind auch die Orgelbauer. Ihr Handwerk, das seine Wurzeln weit in vorchristlicher Zeit hat, hat sich seither immer weiter entwickelt. Momentan sind fünf Mitarbeiter der Bonner Orgelbaufirma damit beschäftigt, der neuen Orgel den letzten Schliff zu geben. Buchstäblich. Denn hier und da werden noch die Metallplättchen der Zungenpfeifen bearbeitet oder die Luftöffnungen der Lippenpfeifen mit Gefühl zurechtgebogen. Die Bühne im Konzertsaal der Hochschule dient als Werkstatt.

Hightech-Orgel mit barockem Kern

Das wichtigste Handwerkszeug von Andreas Saage ist sein Ohr. Denn er ist Chef-Intonateur der Firma Klais. Er bestimmt, wie jede einzelne Pfeife zu klingen hat, damit sie sowohl in ihre Stimmengruppe als auch in die gesamte Raumakustik passt.

Bereits vor sechs Jahren begann das ambitionierte Vorhaben. Im ersten Bauabschnitt bekam die Musikhochschule in Würzburg eine Art klingendes Einfamilienhaus auf die Bühne des großen Konzertsaals gesetzt. Darin wohnt die Orgeltradition Johann Sebastian Bachs mit fast allen Registern, die auch in Arnstadt erklingen. Auf der dortigen Orgel nämlich spielte Bach selbst und schuf einen Teil seiner Orgelwerke. Wer immer das Orgelspiel erlernt, kommt an Bach bis heute nicht vorbei. Deshalb mache es Sinn, dem Klangideal des Meisters möglichst nahezukommen, erklärt Andreas Saage.

Feinschliff durch Intonation

Jetzt steht auch der zweite Bauabschnitt kurz vor der Fertigstellung. In den Anbau des Orgelhauses sind die Klänge für die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts eingezogen. Jede einzelne der insgesamt 5.049 Pfeifen ging zunächst über den Schreibtisch von Andreas Saage und dann durch sein Ohr. Bis in den Januar hinein dauert die Endphase des Intonierens. Dabei geht es nicht nur um die richtige Tonhöhe, die einzelnen Pfeifen werden auch klanglich aufeinander abgestimmt und für die Raumakustik optimiert.

Dafür sitzt der Fachmann am Spieltisch auf der Empore des Konzertsaals, schlägt einzelne Töne an und ruft seinem Kollegen in der Orgel etwas zu. Manche Pfeifen sprechen zu spät an, klingen zu hauchig, andere sind zu laut. All das lässt sich von Hand beheben, indem der Orgelbauer die entsprechenden Bauteile weitet oder verengt. Ein musikalisches Geduldspiel, das sich aber am Ende auszahlt.

Hightech soll den wissenschaftlichen Diskurs beleben

Rein äußerlich unterscheidet sich das Würzburger Instrument noch nicht von anderen hochwertigen Orgelneubauten. Revolutionär ist ihr elektronisches und digitales Innenleben. Erstmals in der Orgelbaugeschichte lässt sich über je zwei Elektromagnete jede einzelne Pfeife stufenlos mit Luft versorgen. So entstünden völlig neue Klänge, erklärt Andreas Saage, die man sich in der zeitgenössischen Musik zunutze macht. Das System wurde eigens für Würzburg entwickelt und seither weltweit nur in einer Handvoll Orgeln verbaut.

Als absolutes Alleinstellungsmerkmal bezeichnet der Würzburger Orgel-Prof. Christoph Bossert aber die digitale Vernetzung der Konzertorgel. Das sichere Würzburg einen guten Platz im internationalen Diskurs der gesamten Orgelwelt.

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Orgelbauer Bernd Reinartz prüft die Orgelpfeifen.

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