Dass Ben Salomo ein Rapper mit Leib und Seele war, merkt man ihm noch immer an, wenn er zu seinem Publikum spricht. Voller Elan und Leidenschaft trägt er vor, mitreißend und pointiert. Das Rampenlicht von Hip-Hop-Clubs und Festivalbühnen hat er allerdings gegen Auftritte in Schulen getauscht.
Karriere ging den Bach runter, als er bekannt gab, Jude zu sein
Salomo war einst tief verwurzelt in der deutschen Rap-Szene, sein Youtube-Format "Rap am Mittwoch" war für viele heute erfolgreiche Künstler ein Karrieresprungbrett. Doch als er sich 2016 als erster jüdischer Rapper in Deutschland "outete", ging es mit der Karriere schnell bergab. Plattenlabels wollten seinen Angaben zufolge nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten, er wurde angefeindet und bedroht. Solidarität von den Rap-Kollegen und einstigen vermeintlichen Freunden gab es demnach so gut wie keine. Als Konsequenz kehrte Ben Salomo der Rap-Szene den Rücken. Heute betreibt er Aufklärungsarbeit und besucht Schulen in ganz Deutschland.
Gangster-Rap: Antisemiten in der Playlist?
In Fürth sitzen am Mittwochvormittag mehr als 100 Schülerinnen und Schüler in der Aula des Helene-Lange-Gymnasiums und hören dem Mann mit der schwarzen Baseball-Cap gebannt zu. Wortgewandt und auf den Punkt erklärt er ihnen von Grund auf, was Antisemitismus bedeutet, wie er sich äußert und was ihn so gefährlich macht. Der Rapper fragt ein paar antisemitische Gerüchte ab, Hochfinanz, Steuerung der Medien, fast alle sind den Schülerinnen und Schülern geläufig. Ben Salomo zeigt Bilder, Statistiken, Diagramme und kommt irgendwann auf das Thema zu sprechen, auf das viele wohl insgeheim gewartet haben: Rap, genauer gesagt Gangster-Rap. Ein Raunen geht durch den Raum.
Dubiose Verbindungen: Rapper zwischen Neonazis und Hisbollah
Ben Salomo fragt ein paar Bandnamen ab, die Hamburger Hip-Hop-Crew "187 Strassenbande" kennen die meisten, viele haben sie in ihrer Playlist. Die Begeisterung für die Skandal-Rapper aus dem Norden will Ben Salomo den Jugendlichen nehmen und zeigt ein Gruppenfoto aus dem Backstage-Bereich des "Southside-Festivals", auf den ersten Blick ein normales Gruppenbild mit verschiedenen Künstlern.
Bei genauerem Hinsehen erkennt man allerdings zwei polizeibekannte Neonazis, mit denen sich die Rapper hier anscheinend gerne Arm in Arm ablichten lassen. Auch ein Musik-Manager ist zu sehen, der – einem Tattoo nach zu urteilen – die libanesische Terrororganisation Hisbollah und deren islamistische und antisemitische Ideologie unterstützt und befürwortet.
Einschlägige Musik als Einfallstor für Antisemitismus
Es ist die Art von Hintergrundwissen, das viele nicht haben, aber haben sollten, findet Ben Salomo. "Wenn du ein Jude bist, hast du in der Rap-Welt schon verloren", meint er. Gangster-Rap sei in jedem Fall ein Einfallstor für Antisemitismus, gerade bei Jugendlichen, die antisemitische Codes nicht auf Anhieb als solche identifizieren können. "Deshalb will ich euch zeigen, was für Leute ihr da in euren Playlists habt", sagt Salomo zu den Fürther Schülerinnen und Schülern.
Gegen die Gleichgültigkeit: Antisemitismus sichtbar machen
Gleichzeitig wisse er, dass nicht alle künftig dem Gangster-Rap abschwören werden. Dennoch sei es wichtig, junge Menschen aufzuklären und auf Gefahren des Antisemitismus aufmerksam zu machen, aktuell vielleicht sogar wichtiger denn je. "Der Antisemitismus zerreißt unsere Gesellschaft. Die einen erfüllt er mit Hass, die anderen sind gleichgültig, und dadurch können die Hasserfüllten einfach immer stärker und lauter werden. Und diese Gleichgültigkeit ist besonders das, was viele Jüdinnen und Juden einschließlich mich nach dem 7. Oktober hier in Deutschland so entsetzt und fassungslos macht", sagt Ben Salomo.
Lehrer wollen aktiv werden gegen Rassismus
Selbst bei seinen Vorträgen an Schulen werde er immer wieder mit antisemitischen Aussagen konfrontiert, teils von Schülern, teils aber auch von Lehrern. Das sei besonders schlimm, sagt er.
Das Helene-Lange-Gymnasium pflegt das Motto "Schule ohne Rassismus". Laut Lehrer Sven Kartscher besteht die Schülerschaft aus zahlreichen verschiedenen Nationen, in der Vergangenheit habe man sich deswegen als bunte Schule wahrgenommen und keine große Gefahr gesehen. "Wir haben jetzt das Problem, dass immer mehr Dinge langsam einsickern, kleine Hakenkreuzschmierereien und dergleichen. Dagegen wollten wir umgehend etwas unternehmen." Den Besuch von Ben Salomo sieht er als vollen Erfolg, der Rapper habe nochmal einen ganz anderen Zugang zu den Jugendlichen als die Lehrkräfte.
Ben Salomo will Menschen die Augen öffnen
Nach dem Vortrag nimmt sich Ben Salomo noch einmal Zeit für Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern. Viele wollen noch ein Selfie mit dem Rapper, der mahnt, dass es Aufklärung über Antisemitismus zu jeder Zeit brauche. "Der Antisemitismus verändert sich auch. Vor 20 Jahren musstest du auf dies achten, in 20 Jahren vielleicht dann auf jenes." Er versuche, den Menschen die Augen zu öffnen und Werkzeuge an die Hand zu geben, worauf sie achten müssen.
Am Ende gehe es auch darum, den Mund aufzumachen, wenn man antisemitische Sprüche oder Anfeindungen mitbekommt. Diese Botschaft nehmen an diesem Tag viele Schülerinnen und Schüler mit nach Hause. Und vielleicht verschwindet dank Ben Salomo auch der ein oder andere Gangster-Rapper, der antisemitisches Gedankengut propagiert, für immer aus so mancher Playlist.
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