Haupteingang des Museums
Bildrechte: © Museum Fünf Kontinente, Foto: Nicolai Kästner
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Das Museum Fünf Kontinente in München

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Geraubt und ausgestellt: Kolonialismus im Museum

Geraubt und ausgestellt: Kolonialismus im Museum

Während der Zeit des Kolonialismus wurden hunderttausende Kunstwerke geraubt und nach Europa verfrachtet. Das Münchner "Museum Fünf Kontinente" zeigt in einer Ausstellung nun selbstkritisch, unter welchen Umständen die eigenen Schätze ans Haus kamen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Eine große Schlange, aus Holz geschnitzt, aber nicht etwa rund, sondern kantig in der Form, mit aufgemalten Dreiecken in Rot und Schwarz. Daneben einige – deutlich erkennbar – männliche Figuren: Die Objekte stammen aus Kamerun und waren Teil der Initiationsriten rund um die Aufnahme junger Männer in den Kreis der Erwachsenen. Nur: Das wussten die deutschen Kolonisatoren gar nicht, als sie die Figuren Ende des 19. Jahrhunderts raubten und nach München verfrachteten.

Da fragt man sich schon: Warum wurden überhaupt massenhafte Kulturgüter in den Kolonien gestohlen? "Das war eine bestimmte Art, Wissenschaft zu betreiben", sagt Kurator Richard Hölzl. "Man meinte, die Welt kulturell kartieren zu können. Und diese Idee der vollständigen Kartierung der Welt hat dazu geführt, dass extrem viel angeeignet wurde."

Kolonialismus hat viele Gesichter

Kostbare Masken, geschnitzte Flöten, geflochtene Taschen: Es entstand ein regelrechter Sammelwahn. Die Kolonisatoren beuteten nicht nur Land und Arbeitskraft der Einheimischen aus, sie eigneten sich auch ihre Kultur an – und zwar nicht nur im Namen der Wissenschaft: Tausende bayerische Soldaten nahmen aus den Kolonien Dinge als Erinnerungsstücke mit, ein Teeservice für die Mama aus dem Boxerkrieg in China, eine kleine indische Gottheit für den heimischen Kaminsims. Die Dinge sollten die eigenen Heldentaten belegen, sie waren letztlich Trophäen.

Bildrechte: © Museum Fünf Kontinente, Foto: Nicolai Kästner
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Eine Ahnenfigur von der Insel Luzon (Philippinen). Entstanden vor 1878, aus Holz geschnitzt und mit Kaurischnecken und Coixsamen verziert. Detail

160.000 Objekte befinden sich im Museum Fünf Kontinente, ein Drittel davon hat einen kolonialen Hintergrund. Seit mehreren Jahren werden die Bestände systematisch mit Blick auf einen möglichen unrechtmäßigen Erwerb untersucht. Die Ausstellung ist ein Zwischenergebnis der Forschungen. Im Fokus stehen dabei nicht nur klar gewaltsam entwendete Objekte, etwa rund um den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia, sondern ganz verschiedene Facetten des Kolonialismus. Auch der koloniale Handel mit Kautschuk oder Baumwolle wird beleuchtet oder das Missionswesen, das die christliche über die lokalen Religionen stellte und die Einheimischen umerziehen wollte.

Mehr als 50.000 Objekte mit kolonialem Hintergrund

Eines der bekanntesten Objekte des Museums ist ein Schiffsschnabel aus Kamerun – auch er wird in der Ausstellung gezeigt. Kurator Richard Hölzl legt in seiner Präsentation offen dar, dass das Kunstwerk einst gewaltsam geraubt wurde. Ein Enkel des ursprünglichen Besitzers hatte das schon 1998 nachgewiesen – auf deutscher Seite aber geschah lange nichts. Mittlerweile ist man mit Forschern aus Kamerun und einer Kommission aus Regierungsvertretern und lokalen Community-Oberhäuptern in regem Austausch, eine Delegation hat im Oktober 2023 die Depots des Museums besucht und auch den Schiffsschnabel begutachtet.

Was wird aus dem geraubten Schiffsschnabel?

Die Gespräche laufen also – und die Deutschen haben dazugelernt: Man überlässt es nun ganz den Kamerunern, zu entscheiden, was mit dem Schiffsschnabel geschehen soll. Das beklemmende Gefühl, das beim Besuch ethnologischer Sammlungen aus der Kolonialzeit zuletzt immer ein bisschen mitschwang, wird dank der konstruktiven Aufarbeitung ihrer Geschichte und selbstkritischer Ausstellungen wie nun im Museum Fünf Kontinente zumindest ein bisschen gemildert.

Die Ausstellung "Der Kolonialismus in den Dingen" ist bis zum 18. Mai 2025 im Museum Fünf Kontinente in München zu sehen.

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