Ab 9.10. in der ARD Audiothek: Der Hörbuch-Podcast "Kalte Füße", gelesen von Nina Kunzendorf
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Ab 9.10. in der ARD Audiothek: Der Hörbuch-Podcast "Kalte Füße", gelesen von Nina Kunzendorf

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"Kalte Füße": Bewegende Ukraine-Geschichte jetzt als ARD-Hörbuch

"Kalte Füße": Bewegende Ukraine-Geschichte jetzt als ARD-Hörbuch

Luhansk, Donezk: Kriegsorte. Genau dort kämpfte Francesca Melandris Vater vor 80 Jahren. "Sag mir, was Krieg ist, Papa", schreibt sie in ihrem Ukraine-Buch, das zugleich Brief an den Vater ist. In der ARD Audiothek ist "Kalte Füße" jetzt zu hören.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

"Sag mir, was Krieg ist, Papa. Gerade du, weil du auf der falschen Seite gestanden hast und ihn nicht mit irgendwelchen Idealen schönreden kannst. Du warst gezwungen, zu lernen, was Krieg bedeutet. Anders als meine Generation wart ihr nicht in der glücklichen Lage, zu glauben, man könne die Wirklichkeit des Krieges einfach leugnen."

Auslöser für Francesca Melandris Buch "Kalte Füße" war ihre Fassungslosigkeit angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Seit bald tausend Tagen geht Russland rücksichtslos und brutal gegen das Nachbarland vor. Die Orte, die uns mittlerweile über die Medien so vertraut sind, Charkiw, Luhansk, Donezk – das sind genau die Orte, an denen vor über 80 Jahren Melandris Vater kämpfte, auf der Seite der Nazis und Faschisten.

"Mein Buch ist quasi ein langer Brief an meinen Vater", sagt Melandri. "Er ist bereits gestorben, er war ein alter Vater, ich war ein spätes Kind. Mein Vater wurde 1919 geboren, als Italiener gehörte er also der Generation an, die im Zweiten Weltkrieg auf der falschen Seite kämpfte, der der Faschisten, der Achse Berlin-Rom. Er war ein junger faschistischer Offizier, der an der Ostfront stationiert war; wir Italiener sagen immer 'Russland', obwohl es eigentlich die UdSSR war. Und was ich in meinem Buch versucht habe, ist, meinen Vater, seine Erinnerungen, seine Bücher zu befragen: Bitte erklär mir, was Krieg ist, weil ich es nicht weiß – und Du, Papa, du musstest lernen, was Krieg ist – ob du wolltest oder nicht."

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Hat das Hörbuch eingelesen: Schauspielerin Nina Kunzendorf

Entstanden ist ein ergreifender, knapp 300 Seiten langer Brief an den Vater. Damals, im Zweiten Weltkrieg, wurden die deutschen Nazis und italienischen Faschisten aus der UdSSR vertrieben. Und heute? Laut Präsident Putin sollen wieder "Faschisten" vertrieben werden, die angeblich in Kiew herrschen – eine der vielen Lügen des Diktators im Kreml.

Wie sollen wir in Westeuropa Krieg "verstehen"?

Francesca Melandri sortiert montageartig und rechercheintensiv ihre Gedanken zum Phänomen Krieg. Dabei verwebt sie wie in ihrem Bestseller "Alle, außer mir" (2018) auch in "Kalte Füße" Familiengeschichte mit Zeitgeschichte, immer mit Blick auf die Ukraine und auf dieses "Spiegelkabinett" der Geschichte, wie sie schreibt. Die Schauspielerin Nina Kunzendorf, bekannt als Tatort-Kommissarin oder aus Christian Petzolds Film "Phoenix", hat dieses "Zwiegespräch" zwischen Tochter und Vater als Hörbuch-Podcast eingelesen:

"Wie würde ich mich verhalten? Du konntest dieser Frage nicht ausweichen, wie alle, die im Krieg waren. Wie würde meine Antwort lauten, wenn ich sie mir stellen müsste? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur eins: Wer behauptet, die Antwort zu kennen, bevor er ernsthaft auf die Probe gestellt wurde, hat die Frage nicht begriffen. Wie werden wir uns verhalten, wenn der Krieg eines Tages keine Fernsehserie mehr ist, sondern der Fluch des echten Lebens?"

"Kalte Füße" – der Titel des vielleicht persönlichsten Buchs der vielfach ausgezeichneten Autorin, spielt nicht nur auf die Situation an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg an, auf den Frost, die Gewalt, auf das Glück, überlebt zu haben. Francesca Melandri bezieht in ihrem Buch, das schwer in ein Genre zu pressen ist, eindeutig Position, was die Rolle des vom Frieden verwöhnten Westeuropa sein sollte. Sie stellt sich (und damit ihren Leserinnen und Lesern) entscheidende Fragen – in diesem Sinne ist ihr Buch auch ein Appell.

"Es ist ein politisches Buch", sagt Melandri, "ich ergreife Partei: Es ist unschwer herauszulesen, was ich über Russland, über Putins Einmarsch in die Ukraine denke und wie ich unsere Rollen als westliche alliierte Partner der Ukraine sehe und was wir verstärkt tun sollten. Also: Es ist ein sehr politisches Buch – und ein sehr persönliches."

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Die Buchautorin: Francesca Melandri (60) aus Rom

Italien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse (16. bis 20. Oktober), Melandri ist Teil der italienischen Delegation – von diesem bewegenden Buch wird in den kommenden Wochen also noch öfter zu hören sein.

Als Hörbuch gibt es "Kalte Füße" von Francesca Melandri in der ARD Audiothek, gelesen von Nina Kunzendorf und in einer Koproduktion von NDR Kultur und Bayern 2. Das Buch, übersetzt von Esther Hansen, ist im Verlag Wagenbach erschienen und kostet 24 Euro.

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