Im Tegut-Supermarkt im Münchner Glockenbachviertel steht eine große Tüte, die so voll ist, dass sie zu zerreißen droht. Voll mit Apfeltaschen, Schokohörnchen, Pizzaschnitten, Plundergebäck mit Zuckerguss und roten Beeren – ob die noch gegessen werden? Schließlich sind sie von gestern. Regulär will der stellvertretende Marktleiter, Michael Ehrl, sie nicht in den properen Regalen liegen haben. "Für mich muss alles einfach immer top ausschauen", sagt der Marktleiter.
Wer ist schuld an der Lebensmittelverschwendung?
Sind also wir Kunden das Problem, das zu Lebensmittelverschwendung führt? Wir, die bis abends immer volle Regale mit frischer Ware erwarten? Und dann möglicherweise so viel kaufen, dass wir es gar nicht rechtzeitig aufessen können? Laut dem Bundeslandwirtschaftsministerium fallen 60 Prozent der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten an.
Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern gibt Tipps, wie man Lebensmittelverschwendung eindämmen kann. Zwei Punkte hält sie für besonders wichtig: "Wie lagere ich Lebensmittel, zum Beispiel Gemüse? Ist es richtig, dass ich die Obstschale schön dekorativ im Wohnzimmer habe? Oder macht es vielleicht Sinn, die Produkte im Kühlschrank aufzubewahren?" Der zweite entscheidende Punkt: "Was mache ich mit übriggebliebenen Lebensmitteln wie Kartoffeln oder Brot?"
Auf der Webseite der Verbraucherzentrale gibt es Tipps dazu. Aber die Verbraucherzentrale will auch, dass der Handel die Kunden nicht dazu verführt, mehr zu kaufen als nötig. So sollten Großpackungen nicht günstiger sein. Blumenkohl, Kohlrabi oder Kraut sollten nicht nur in ganzen Köpfen verkauft werden, weil Single-Haushalte beispielsweise nur ein Stück davon gebrauchen können. "Wir haben die Forderungen aufgestellt und zwei Jahre später noch mal eruiert, ob sich da was im Handel getan hat. Leider nicht", klagt Daniela Krehl.
Supermärkte geben alte Lebensmittel günstig ab
Der stellvertretende Tegut-Supermarktleiter Ehrl hat noch eine andere Idee, wie man Lebensmittelverschwendung vermeiden kann. Nicht mehr ganz so frisches Gemüse liegt in einem eigens abgetrennten Bereich des Ladens, der extra gekühlt wird. Und eine Mitarbeiterin hat außerdem Tüten mit Gebäck gepackt und sie auf einer speziellen Online-Plattform namens "Too good to go" als abholbereit gemeldet. Für vier Euro sind sie zu haben.
Inwieweit Initiativen wie diese dazu beitragen, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, und wie viele Lebensmittel überhaupt im Müll landen, sei unklar, so Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern: "Das hängt damit zusammen, dass beim Protokollieren innerhalb der Haushalte natürlich jeder behauptet, er schmeißt gar nichts weg."
Laut Bundeslandwirtschaftsministerium entstanden in Deutschland 2021 rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle, 2015 waren es zwölf Millionen. Doch die Zahlen sind wenig aussagekräftig: Dazu zählen etwa auch Schalen und Knochen, die sowieso nicht essbar wären.
In beiden Jahren wurden für die Erhebung der Daten zudem unterschiedliche Methoden angewendet, wie die Deutsche Umwelthilfe feststellt. Und diese ließen wichtige Größen außen vor: "Die Verluste bei der Ernte. Tiere, die den Schlachthof gar nicht erreichen", erklärt Leonie Netter von der Umwelthilfe. "Zum Teil liegt es daran, dass Supermärkte ästhetische Anforderungen an Landwirte stellen, die deutlich über die gesetzlichen Standards hinausgehen." Krumme Karotten etwa oder aufgeplatzte Knoblauchknollen sind immer noch essbar, werden aber untergepflügt. Als verschwendet zählen sie damit nicht.
Letzte Rettung für Lebensmittel: Lebensmittelretter und Tafel
Die Deutsche Umwelthilfe fordert eine Berichtspflicht entlang der gesamten Lieferkette. Im Tegut-Supermarkt in München ist um 17 Uhr noch eine Tüte mit verbilligtem Gebäck da. "Dann geben wir sie dem Lebensmittelretter mit und sie wird dann weitergegeben an die Tafel", sagt Michael Ehrl. Nur wenn sich kein Ehrenamtlicher der Münchner Tafel fürs Abholen findet, dann landen die überschüssigen Lebensmittel doch im Müll.
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