Nicht Mainstream, immer ein bisschen bunter, markanter, lautstark in ihrer Meinung: Diesem Motto blieb die bayerische Hip-Hop-Combo "dicht & ergreifend" auch am Abend der Preisverleihung des bayerischen Kulturpreises treu – und lehnte den mit 5.000 Euro dotierten Preis ab. Ein Knall in der Geschichte des bayerischen Kulturpreises. Und auch ein Akt der Revolution, der neben der Überraschung beim Publikum, bei Moderatorin Nina Sonneberg und Laudator Florian Sochatzy ein Beben in der bayerischen Kulturbranche nach sich ziehen könnte.
Die Erklärung ist in einem neun Minuten langen Youtube-Video zu sehen: Die drei Musiker stehen auf einer Bühne, wie immer in hippen, bunten Klamotten, alles Ton in Ton, die Sonnenbrille und der ernste Blick liefern dem Trio die gewohnte Coolness. Ein bisschen hip, ein bisschen anders, vom Klamottenstil bis zu den Songtexten, immer unmissverständlich direkt – in ihren Liedern wie bei ihrem Auftritt am Verleihung des Kulturpreises Bayern.
Die Hip-Hop-Combo erklärt die Gründe in einem Youtube-Video
Der Beginn des Videos zeigt die Botschaft: "Wir wollten diesen Marketing-Live-Gala-Abend dazu nutzen, möglichst viel Geld für ein einheimisches, unabhängiges Hilfsprojekt in Burkina Faso zu generieren und über Wamo e.V. direkt an diese Initiative zu spenden. Das wurde uns nicht ermöglicht." Die Folge: Das Trio lehnt den Preis ab, die 5.000 Euro wolle die Band aus der Bandkasse spenden. Diskussion Ende. Laut, meinungsstark, sie bleiben ihrem Konzept treu, auf der Bühne wie im Leben.
Schon fünf Jahre nach dem ersten Video "Zipfeschwinga" füllte die Band das Münchner Olympiastadion, provozierte, begeisterte, riss recht schnell viele Tausende Fans mit ihren Texten mit. "Dicht & ergreifend" nehmen kein Blatt vor den Mund bei ihrer Kritik an Eliten, Politik und Missständen, so auch nicht am Abend einer Preisverleihung.
Kritik an der Bayernwerk AG und der Staatsregierung
Das Video soll zeigen, was sie bei der Preisverleihung getan hätten und halten die Rede, die sie bei der Preisverleihung gerne gehalten hätten, wie sie schreiben. Michael Huber alias George Urkwell sagt in dem Video polemisch: "Wir haben eine kurze Rede vorbereitet, warum? Um Danke zu sagen. Man kann auf das Bundesland Bayern stolz sein in diesen apokalyptischen Zeiten, eine solch wohltätige Veranstaltung auf die Beine zu stellen."
Je größer die Krisen, so Huber weiter, "desto märchenhafter die Gewinne. Egal, ob in der Rüstungs-, Pharma- oder in der Energieindustrie". Man bedanke sich ganz herzlich bei der Bayernwerk AG, deren Mutterkonzern EON "ihren Gewinn im letzten Geschäftsjahr auf magere 8,1 Milliarden Euro steigern konnte". Und dadurch in der Lage sei, "uns hilfsbedürftige Künstler mit der horrenden Summe von 5.000 Euro für herausragende Dienste im Kulturbereich unter die Arme zu greifen".
Das Video endet mit dem Aufruf eine Kopie der Bronzestatue mit dem Namen "HFE 5000" ("Humanismus für Einsteiger") zu ersteigern, um zusätzlich zu den 5.000 Euro aus der Bandkasse weitere 5.000 Euro spenden zu können: "Ganz ohne Marketing-Budget von der Bayernwerk AG", wie Lef Dutti am Ende des Videos sagt und sich im gleichen Atemzug mit einer lässigen Handbewegung die Sonnenbrille wieder auf die Nase setzt.
Im Video: Erklärung der Band "dicht & ergreifend"
Bayernwerk und Kunstminister Blume reagieren auf die Kritik
Die Bayernwerk AG teilte auf Anfrage des BR mit, dass Preisträgerinnen und Preisträger die Bühne "nach ihren Wünschen" nutzen könnten. Dass man sich bei der Verleihung aber an einen "strengen, minutiösen Zeitplan" habe halten müsse, da die Veranstaltung in mehreren Sendern des Lokalfernsehens übertragen worden sei. Das Unternehmen betont jedoch: "Die meiste Redezeit entfiel auf dicht & ergreifend. Die Band konnte ihre Position auf der Bühne offen und ausführlich schildern und wurde dabei nicht unterbrochen." Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wolle man nun an die von der Band genannte Aktion spenden.
Weiterhin dankte die Band auch der Bayerischen Staatsregierung, "die das Ganze eingefädelt" habe. "Ohne auch nur einen Cent aus den staatlichen Kulturtöpfen für die heute anwesenden Preisträgerinnen und Preisträger auszugeben."
Auf die Kritik, zu wenig Geld für die Kultur auszugeben, antwortete Kunstminister Markus Blume auf Anfrage des BR, dass man alles daran setze, "um den kulturellen Boden in Bayern fruchtbar zu halten – in diesem Jahr mit Rekordausgaben für die Kultur". Und zur Aktion von "dicht & ergreifend" ließ er mitteilen: "Wir leben in einer freien Gesellschaft - auch die Sturm- und Drangphase unserer Künstlerinnen und Künstler ist freilich durch die Kunstfreiheit gedeckt. Ein bisschen Rebellion und Protest gehören ja bei Kunst und Kultur auch dazu. Mein Eindruck: Die anderen Preisträgerinnen und Preisträger haben sich umso mehr über ihre Preise gefreut."
Neben dicht & ergreifend war auch die Autorin Rita Falk mit dem Preis ausgezeichnet worden
Die Preisträger für den Kulturpreis Bayern waren schon Anfang des Monats bekannt gegeben worden. Neben dicht & ergreifend war auch die Autorin Rita Falk ausgezeichnet worden, der Karikaturist Dieter Hanitzsch bekam den Sonderpreis. Zur Begründung für ihre Entscheidung hatte die Jury erklärt: "Dicht & ergreifend" hätten "im Gewand brachialer Beats gepaart mit politsatirischen Lyrics im niederbayerischen Dialekt" ein neuartiges Musik-Genre auf den Weg gebracht.
Der Kulturpreis Bayern wird seit 2005 für herausragende Leistungen in Kunst und Wissenschaft verliehen. Ausgezeichnet werden Künstler in Bayern für ihr bedeutendes künstlerisches Wirken sowie Absolventen und Doktoranden der bayerischen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und staatlichen Kunsthochschulen.
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