Bernhard Purin war der Museumsmacher schlechthin in der Zeit der 90er- und Nuller-Jahre. Nun ist er im Alter von 60 Jahren gestorben, wie neben anderen das Jüdische Museum Wien auf seiner Website meldet. Dort in Wien hatte Purin 1995 mit "Beschlagnahmt" eine der ersten Ausstellungen überhaupt zur Raubkunst-Problematik kuratiert. Am Montag veröffentliche auch das Jüdische Museum München einen Nachruf auf seinen Direktor. Und das Jüdische Museum Franken in Fürth würdigte ihn als "leidenschaftlichen Kurator", der für die Museumsarbeit gelebt habe. "Er wird vom Team des Jüdischen Museums Franken und weltweit von Kollegen und Weggefährten schmerzlich vermisst."
2007 war Purin der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in München geworden und hatte davor schon in Hohenems, in Wien sowie am Jüdischen Museum Franken gewirkt. Über die Zeit in Fürth sagte Purin rückblickend: "Das war eigentlich eine ganz spannende Arbeit. Es gab zwei Museen, wir hatten auch eine Außenstelle in einer der ältesten ehemaligen Synagogen Bayerns, in Schnaittach. Die haben wir bereits nach einem Jahr eröffnet, 1996, in Zusammenarbeit mit der dortigen Marktgemeinde Schnaittach, was eine sehr schöne Arbeit war. Dann ging es an dieses Projekt in Fürth, das am Anfang auch sehr gut lief. Wir haben dann 1999 das Museum dort eröffnet, das auch bundesweit Beachtung fand. Die Schwierigkeiten entstanden mit Wechselausstellungen, die wir dort gemacht haben."
Purin: "Weinen bildet nicht"
Gerade in Fürth, der vom jüdischen Schriftsteller Jakob Wassermann einst sogenannten "Stadt des Rußes und der tausend Schlote", wurde Purin heftig attackiert. Denn der gebürtige Bregenzer war einer, der aneckte, der etwa Veit Harlans antisemitischem Propaganda-Film "Jud Süß" und dessen Rezeption eine Ausstellung widmete. Gerade angesichts der Ungeheuerlichkeit des nationalsozialistischen Massenmords war Bernhard Purin, so wie Volkhard Knigge, der damalige Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, der Überzeugung: "Weinen bildet nicht."
"Museumskonzepte, pädagogische Konzepte, die ausschließlich die Gefühlsebene ansprechen, die eben auf Weinen setzen, sind eigentlich sehr anti-aufklärerisch", meinte Purin. Die Politik brachte Bernhard Purin mit kontroversen Ausstellungen wie "Feinkost Adam" 2002 über antisemitische Stereotype und Klischees ebenso gegen sich auf wie Israelitische Kultusgemeinden. Früher als viele andere erkannte er, wie wichtig es ist, in Jüdische Museen den Bezug zur Jetztzeit herzustellen: "Es war mir immer wichtig, dass wir nicht nur historische Themen aufgreifen, sondern als Museum auch Positionen zu Gegenwartsfragen, Themen, die jetzt aktuell sind, beziehen. Ich verwende da immer ein Zitat eines New Yorker Kollegen vom dortigen Jüdischen Museum, Norman Kleeblatt, der sagt: Jüdische Museen haben die Aufgabe, Fragen aufzuwerfen, die sich demnächst stellen."
Aufgewachsen im Anti-Atomkraft-Umfeld
Aufgewachsen war Bernhard Purin, der selbst nicht jüdisch war, in der Bodenseegegend als Sohn des österreichischen Architekten Hans Purin. "Was mich relativ stark geprägt hat in den 1970-er Jahren, waren zwei Dinge: die sogenannten 'Randspiele', das war ein alternatives Kulturfestival, das mein Vater damals als Gegenaktion zu den Bregenzer Festspielen der Hochkultur mitinitiiert hatte. In der Zeit war Regionalismus ein ganz großes Thema, da gab’s ganz viele Querverbindungen ins Elsass. Die Idee einer alemannischen Internationale als Protestbewegung entstand in der Zeit. Das hatte auch zu tun mit Anti-Atomkraft. Als Acht- bis 13-Jähriger bin ich in diesem Umfeld aufgewachsen, wo im Sommer immer diese Veranstaltungen waren, Künstler bei uns zu Hause waren: Leute wie Martin Walser, der eine dieser Schlüsselfiguren am Bodensee war zusammen mit André Weckmann oder Tomi Ungerer im Elsass."
So wie Tomi Ungerer war Bernhard Purin eine Provokationslust eigen, die er aber unter dem Mantel der nüchternen Rede gut zu verbergen verstand.
Überforderung der Institution "Jüdisches Museum"
"Man darf das auch nie übersehen, dass Museen nur sehr beschränkte Möglichkeiten haben. Man verlangt in Deutschland bei jüdischen Museen, dass sie eigentlich alles sein sollen", sagte Purin einmal, "die sollen umfassend über die Geschichte des Judentums aufklären, sie sollen Gegenwartsfragen beleuchten, sie sollen auch Mahnmäler, Denkmäler an die lokalen Shoa-Opfer sein. Und sie sollen gleichzeitig ein Manifest sein, dass die politisch Verantwortlichen sich diese Fragen auch wirklich stellen. Und da wird die Einrichtung 'Jüdisches Museum' natürlich maßlos überfordert."
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