Eine Frau hört mit geschlossenen Augen Musik auf ihren Kopfhörern.
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"Ein Song reicht": Musikempfehlung per Newsletter

"Ein Song reicht": Musikempfehlung per Newsletter

Früher war Popkritik ein wichtiger Teil des Journalismus, doch viele Musikmagazine sind verschwunden. Musiktipps im Netz kommen heute oft von Algorithmen. Ein Newsletter setzt nun auf Empfehlungen von Menschen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Wie ein kleines unbeugsames gallisches Dorf wehrt sich ein engagiertes Team aus Leipzig gegen die Übermacht der Großkonzerne. Sie wollen Musikerinnen und Musiker unterstützen, die keine großen Plattenfirmen im Rücken haben, die nicht den Weg in die beliebten und beliebigen Playlists der Streamingdienste gefunden haben.

Dem Kalkül von Spotify, YouTube, Deezer und Apple Music setzen sie einen Newsletter entgegen – ganz oldschool: verbreitet per E-Mail und verfasst von Menschen. Er heißt "Ein Song reicht", angelehnt an den Song von Kraftklub. Täglich ein Tipp, persönlich ausgesucht und empfohlen von Leuten aus den unterschiedlichsten Bereichen, etwa der Hamburger Schriftstellerin Kathrin Weßling: "Ich finde das ganze Konzept wahnsinnig ambitioniert, weil das echt krass ist, so jeden Tag jemanden zu finden, der einen Song vorstellt", sagt Weßling, "genau deswegen hatte ich Bock drauf, weil ich liebe Übertreibungen und super ambitionierte Sachen fand, dass das eine richtig geile Idee ist."

Wenig Platz für sperrige Songs

Kathrin Weßling empfahl im Newsletter Siggi, einen jungen Künstler aus Helmstedt. Die Fußballnationalspielerin Laura Freigang schwärmte in ihrer Ausgabe von dem wortgewandten Rapper OG Keemo, vor einigen Tagen erst empfahl der deutsche Indiemusiker Drangsal eine wirkliche Underground-Perle – das noch wenig bekannte Stuttgarter PunkDuo ZWEILASTER mit ihrem Song Taube.

Über genau solche Tipps freut sich Martin Hommel, der Musikjournalist, der diesen Newsletter zusammen mit einer Leipziger Agentur ins Leben gerufen hat. Eine vielfältige Kulturlandschaft, in der auch sperrige, unbequeme Songs ihren Platz haben, liegt ihm am Herzen: "Es gibt viel zu wenig Plattformen und Flächen, wo die noch stattfinden.

Wenn man sich so die Streamer anschaut, also Spotify und Co, da werden jeden Tag über 100.000 Songs hochgeladen, es herrscht ein riesiges Überangebot. Da muss man sich schon so ein bisschen die Frage stellen, wie das alles funktionieren soll und was letztlich mit der alternativen Szene in unserem Land passiert. Wenn man nicht so den einen viralen Hit hat oder ein massives Marketingbudget im Rücken, dann wird das immer schwieriger."

Künstler unterstützen, die einen selbst inspiriert haben

Der Newsletter ist kostenlos. Wer ihn abonniert, muss darin Werbung erdulden – bekommt dafür aber täglich einen Tipp für einen Song. Bald auch von Severin Kantereit – Solokünstler und Mitglied der Band AnnenMayKantereit. Er freut sich über die Chance, einen Künstler unterstützen zu können, der ihn selbst inspiriert – wie er erzählt: "Ich bin einfach so ein bisschen meine Playlist durchgegangen. Bei dem Song war es relativ klar, weil ich den gerade auch sehr viel hier im Studio gehört habe, als ich an meinen Songs gearbeitet habe. lrgendwie hat der sowas Magisches, weil der so fluffig klingt, so tight gespielt ist und auch noch gut gesungen von den zwei Personen, die drauf sind. Also es ist von mir auf jeden Fall den letzten ein, zwei Jahren einer meiner All-Time-Favourites."

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