Alexander Warmbrunn steht im weitgehend dunklen Lindauer Kunstmuseum. Die Licht-Spots richten sich auf Collagen, Skizzen, Fotografien. Kunstwerke von Christo und Jeanne-Claude. Der Leiter des Kulturamtes sagt: "Wenn man reinkommt in die Ausstellung, ist da ein großformatiger Reichstag zu sehen, eine Fotografie von Wolfgang Volz. Man sieht Hunderttausende Menschen vor dem Reichstag. Man sieht die Begeisterung." Er nennt das den Inbegriff der Schönheit und der Lebensfreude – exakt das, was Christo und Jeanne-Claude mit ihren Werken schaffen wollten.
Verhüllter Reichstag zieht Millionen an
Der Reichstag war 1995 für zwei Wochen im Sommer mit einem aluminiumbeschichteten Gewebestoff umhüllt. Der Bundestag hatte dem Projekt extra zustimmen müssen. Fünf Millionen Menschen kamen. Fast ein Viertel-Jahrhundert hatten die Vorbereitung und Genehmigungen dafür gedauert. Ebenso wie bei den bekannten "Gates" in New York. Flatternde orangefarbene Stoffe wehten hier 2005 durch den Central Park. Die Werke waren für die Menschen immer erlebbar gewesen.
Originale aus New York in Lindau
Mit einer Vernissage am Abend startet die Ausstellung "Christo und Jeanne-Claude – Ein Leben für die Kunst", die bis zum 13. Oktober zu sehen sein wird. Auf der Lindauer Insel ist das Werk an neun Stationen zu erleben. Kinder können der Kunst durch eine Art Schnitzeljagd näherkommen. Haupt-Ausstellungsort ist das Kunstmuseum. Neben Skizzen, originalen Zeichnungen, Collagen und realisierten Projekten der beiden Künstler sind dort auch Fotografien von Wolfgang Volz zu sehen. Der aus Oberschwaben stammende Fotograf hat die künstlerische Arbeit von Christo und Jeanne-Claude jahrzehntelang mit der Kamera begleitet und als technischer Leiter etwa bei der Verhüllung des Reichstags auch selbst daran mitgewirkt.
Lindaus Kulturamtsleiter Alexander Warmbrunn spricht von einer einzigartigen Ausstellung mit exklusiven Stücken aus New York, die so in der Region noch nicht zu sehen gewesen seien. Kuratorin Sophie Sümmermann betonte im Vorfeld, auch das Künstlerehepaar stehe im Mittelpunkt der Ausstellung: "Ihre Faszination, ihre Beharrlichkeit, ihre Liebe für die Kunst und eben ihr Leben für die Kunst." Gemeinsam mit Roland Doschka hatte sie die Ausstellung in nur wenigen Monaten realisiert.
Ein Leben für die Kunst
Christo und Jeanne-Claude sind beide am 13. Juni 1935 geboren. Christo in Bulgarien; Jeanne-Claude in Casablanca. Nach seiner Flucht aus der Sowjetunion 1956 trafen sich die beiden in Paris. Sie arbeiteten stets gemeinsam und traten ab den 1990er-Jahren auch gemeinsam auf. Nach dem Tod von Jeanne-Claude Ende 2009 führte Christo das gemeinsame Werk weiter. 2016 realisierte er "The Floating Piers" auf dem Iseosee in Norditalien: eine Installation aus begehbaren schwimmenden Stegen. Am 31. Mai 2020 starb Christo in New York, wo die beiden seit den 1960er-Jahren gelebt hatten.
Die Kosten ihrer Projekte – für die Verhüllung des Reichstags fielen beispielsweise 13 Millionen D-Mark an – finanzierten die Künstler selbst, durch den Verkauf von Collagen, Skizzen und Fotos, und wahrten sich so ihre künstlerische Unabhängigkeit.
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