Lange Zeit waren Tiergedichte eine Männerdomäne, von Joachim Ringelnatz über Heinz Erhardt bis hin zu Harry Rowohlt, der mal dieses kurze "Gebet des Nashorns" zu Papier brachte: "Lieber Gott, Du bist der Boss. / Amen, Dein Rhinozeros." Aber als gottgegeben muss man derlei ja nicht hinnehmen, dachte sich Ella Carina Werner – und dichtete ihrerseits los: "Im Walde wohnt der Moschus-Bock, / sein Name lautet Heiner, / doch dass er ein male feminist ist, das glaubt ihm leider keiner."
Das Ergebnis ist der illustrierte Gedichtband "Der Hahn erläutert unentwegt / der Henne, wie man Eier legt" - ein Band mit famoser feministischer Tierlyrik vor. "Ich lese total gerne Tiergedichte, da gibt es ja super viele, super tolle, und mir fiel irgendwann auf, dass die Protagonisten alle männlich sind. Die vernaschen die Weibchen, die kämpfen miteinander, die masturbieren, ihre Penisse kommen vor, und da dachte ich, ich möchte jetzt gern auch mal, dass Weibchen coole Dinge erleben, ihre Themen mitbringen, und diese Reihe ist dann gleich daraus gewachsen", sagt Ella Carina Werner.
Spielerisch und derbe
Und so antwortet die Hamburger Satirikerin und Mitherausgeberin der "Titanic" mit Lust am derben Witz spielerisch zum Beispiel auf einen berühmten Zweizeiler von Robert Gernhardt: "Der Kragenbär, der holt sich munter / einen nach dem anderen runter (...) Sachte, sachte, denn gleich werd’ ich... / Ruf das Taxi. / Bin schon fertig."
Das ist jetzt natürlich nichts für zart besaitete Gemüter, aber derlei habe Vorbilder, sagt Werner: "Es gibt zum Beispiel Mascha Kaléko, die ich sehr lustig finde, die auch ein paar Tiergedichte geschrieben hat, in denen Weibchen vorkommen, die war auch eine komische Lyrikerin, die wird jetzt erst wiederentdeckt."
Und jetzt schreibt eben die 1979 geborene Ella Carina Werner herrlich komisch über Mansplaining, Menstruation, Male Gaze und Menopause. Ein einziges poetisches Empowerment: "Im Grase ruft die Schlangendame. / Seht her, ich habe keine Arme! / Ein Glück! So kann ich gar nicht putzen, / keine Rosensträucher stutzen, / nie Socken ineinander knäueln / und dem Gatten keinen keulen. / Ich kann nur liegen, kriechen, krauchen, / und ab und an mal eine rauchen."
Schön illustriert von Juliane Pieper
Sagen wir es so: Das ist auf jeden Fall gelungener als jene unbeholfenen Tierreime, die die "Wir sind Helden"-Sängerin Judith Holofernes vor zehn Jahren mal als Buch herausgebracht hat. Schon die waren schön illustriert. Das immerhin verbindet sie mit Ella Carina Werners Tiergedichten, die Juliane Pieper knallbunt illustriert hat.
Damit liegt jetzt also ein ideales Geschenkbuch vor: Ein humorvoller Blick auf uns alle – und keine wütende Anklage der Männer: "Ich finde auch, es gibt noch ein bisschen zu wenig Komik und Leichtigkeit beim Thema Feminismus und beim Stürzen des Patriarchats, insofern sehe ich das einfach als meine Rolle im Game."
Ella Carina Werners feministische Tiergedichte "Der Hahn erläutert unentwegt / der Henne, wie man Eier legt" sind im Verlag Antje Kunstmann erschienen für 22 Euro.
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