"Stellen Sie sich ein Handy und eine E-Mail-Maschine in einem Gerät vor. Das ist wie die Macht! Verzeihung, kennen Sie Star Wars?" Der junge Mann mit Star-Wars-T-Shirt, wirren langen Haaren, zusammengehalten von einem roten Stirntuch, blickt in die skeptischen Augen seines Gegenübers. Die Antwort ist ein trockenes "Nein". Es ist mehr oder weniger die Eröffnungsszene aus Matt Johnsons Film "Blackberry" – eine Tech-Komödie nach wahren Begebenheiten.
Weltsensation: Ein Handy, das Mails schreiben kann
Johnson spielt diesen leicht trottelig wirkenden Geek namens Douglas Fregin selbst, der zusammen mit seinem besten Freund Mike Lazaridis (im Film überzeugend gespielt von Jay Baruchel) das neueste Produkt ihrer kleinen Hardware-Schmiede Research in Motion Limited (RIM) an den Mann bringen will. Ein Handy, mit dem sich auch E-Mails schreiben lassen. Anfang der 90er-Jahre ist das eine technische Weltsensation. Ihr Gegenüber ist der ambitionierte Jim Balsillie, der sich kurz nach dem erfolglosen Product-Pitch bei RIM als Chef einkauft und fortan die Firma zu ungeahntem Erfolg führt.
1999 bringt RIM das erste Smartphone seiner Bauweise, das Blackberry 850 auf den Markt. Lange hatten die Mitarbeiter der Firma am Aussehen des Gerätes und an der technischen Umsetzung getüftelt, um E-Mails über eine mobile Internetverbindung abzurufen – ein Trick machte es möglich. Und eine Gruppe chaotischer Nerds mit einer Vorliebe für Science-Fiction-Serien läutete ein neues Zeitalter der mobilen Kommunikation ein.
Eine Gruppe Nerds läutet ein neues Zeitalter ein
Matt Johnson stellte "Blackberry" im Februar dieses Jahres auf der Berlinale vor. Für ihn ist sein Film auch ein Loblied auf seine Schöpfer: "Das Blackberry kam nicht aus dem Nichts. Die Leute, die es entwickelten, waren Fans von 'Star Trek' oder '2001 – Odyssee im Weltraum'. Die wollten die Geräte aus diesen Filmen nachbauen. Und das wird mir viel zu wenig im Kino und in der Kultur gewürdigt."
Der Name "Blackberry" – da nimmt sich Johnson wohl etwas kreative Freiheiten heraus – wird spontan bei der Produkt-Präsentation vor geneigten Investoren gefunden! Balsillie entdeckt einen Blaubeerfleck auf dem Hemd seines Co-Präsentatoren Mike Lazaridis. Ein witziger Moment in dieser doch recht konventionell ablaufenden Komödie über den rasanten Aufstieg des Unternehmens. Das Blackberry wird zum Maß aller Dinge, kreiert und dominiert den Smartphone-Markt.
Gleichzeitig fordert der Erfolg persönlichen Tribut. Treibt Balsillie mit seiner radikalen, auf Erfolg gebürsteten Unternehmensführung doch einen Keil zwischen die Freunde Jim und Doug, die es einst doch genossen, an PCs herumzuschrauben, das Internet auszutricksen und gemeinsam private Vorführungen von Steven Spielbergs "Jäger des verlorenen Schatzes" in der Firmenzentrale zu organisieren.
Das Ende kommt mit Apple
Das Ende kommt laut des Films quasi über Nacht im Januar 2007. Apple-Gründer Steve Jobs enthüllt das neueste Produkt seines Konzerns: "It's an ipod, it's a phone and an internet communicator! And we call it iPhone!" Apple revolutioniert damit den Smartphone-Markt, den Blackberry nur wenige Jahre zuvor erschaffen hatte. Mit einem benutzerfreundlicheren, funktionstechnisch überlegenen und stilistisch weitaus attraktiveren Gerät. Fast über Nacht stürzt die Welt für Jim Balsillie, Mike Lzaridis und Doug Fregin ein – sie sind abgehängt worden von der Konkurrenz. So suggeriert es der Film.
In der wirtschaftlichen Realität ging es nicht ganz so schnell. Das Unternehmen konnte sich immerhin bis 2013 mit seinen Mobiltelefonen auf dem Markt halten. Allerdings schlug Steve Jobs' Ankündigung im Januar 2007 genug Wellen, dass die Blackberry-Aktie einen Tag später um sieben Dollar pro Stück einbrach. Ein Vorbote für das Ende dieses Smartphones, das allein schon vom Aussehen her einen Tag nach dem Apple-Event wie ein Relikt aus alten Zeiten wirkte. Blackberry machte im Folgejahr den entscheidenden Fehler, nicht auf die neue Touchscreen-Technologie zu setzen. 2012 gab es angeblich noch 80 Millionen Blackberry-Nutzer. Ein Zehntel im Vergleich zur Konkurrenz Apple und Samsung.
Schlecht verlötete Hardware
Am Ende von "Blackberry" sind die alten Freunde Doug und Mike entzweit. Die Welt, die sie selbst geschaffen haben, hat ihre Freundschaft gefressen. Doch statt in Tragik zu schwelgen, gelingt Matt Johnston eine rührende Szene: Mike, der die Produktion der letzten Blackberry-Generation schweren Herzens nach China ausgelagert hat, prüft das neue Blackberry – jetzt endlich (und viel zu spät) mit Touchscreen. Er erkennt sofort, dass die Hardware schlecht verlötet ist – das Gerät summt andauernd leise. Und so schraubt Mike ein Blackberry nach dem anderen selbst auf, zieht im Inneren eine Schraube fest und beseitigt so das Brummen.
Nach all dem Aufstieg und Fall bleibt er einer, der "seine" technische Welt besser machen will. Immer noch. Ein hoffnungsvoller Ton in dieser trotz konventioneller Erzählweise unterhaltsamen, gut gespielten Komödie, die auch ein interessantes Porträt unserer digitalen Gesellschaft, ihrer Entstehung und ihrer rasanten Veränderungen ist. Und zeigt, was diese digitale Gesellschaft mit uns anstellt. Sehenswert.
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