Die Goldenen Zwanziger Jahre – sie werden gern verklärt dargestellt: Viel Musik, lange Partys, Cabaret, wildes Nachtleben und neue Tänze. Doch: Die Folgen des Ersten Weltkriegs waren für viele noch spürbar. Am 10. Januar 1920 trat der Versailler Friedensvertrag in Kraft, den viele Deutsche als Demütigung empfanden. Es war eine Zeit der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheit und Umbrüche, die die meisten Menschen betraf.
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Gegensätze bestimmten "das politische Leben sowie das Tun und Denken jedes Bürgers", heißt es in der Wanderausstellung "Franken um 1920: Eine Zeit der Kontraste und kulturellen Vielfalt“, kuratiert vom Frankenbund e.V., die ab Dienstag im Heimatministerium Nürnberg gastiert. Wie also war das Leben außerhalb von Metropolen in dieser aufgeladenen Zeit? Wie war der regionale Alltag in Franken?
Schlaglichter auf das Leben in Franken
Die Ausstellung will Lebenssituationen der fränkischen Bevölkerung um 1920 zeigen und beschäftigt sich dabei unter anderem mit den Themen Mode, Heimatschutzbewegung und -architektur, mit Politik, und modernem Bauen sowie Musik und Kunst. Dabei erheben die Macher keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr wollen sie schlaglichtartig die verschiedenen Themen beleuchten.
Wie die Gegensätze das Leben der Menschen beeinflussten, zeigt auch die Kunst und Kultur dieser Zeit. Als Beispiele sind in der Ausstellung szenische Darstellungen aufgebaut, Abbildungen, Zeitungstexte und Archivalien aus dem kulturellen Schaffen ebenso wie aus dem fränkischen Alltagsleben zu sehen.
Kunst und Kultur eng mit Politik verknüpft
Die Ausstellung zeigt Literatur- und Theateraufführungen, die teilweise auch zu politischen Ereignissen wurden. So zum Beispiel die Skandal-Uraufführung des Revolutionsstückes "Masse Mensch" von Ernst Toller im Stadttheater Nürnberg. Das Stück wurde am 15. November 1920 uraufgeführt und nach harscher antisemitischer und völkischer Kritik in Nürnberg nur noch in geschlossenen Vorstellungen gezeigt.
Diese Uraufführung wird in einer Szene dargestellt und der blutigen Niederschlagung des Kapp-Lüttwitz-Putsches am Nürnberger Hauptbahnhof gegenübergestellt. Bei dem Putsch im März 1920 schlossen sich nationalgesinnte Bänker wie Wolfgang Kapp, Aufsichtsrat der Deutschen Bank, Militärs wie der höchste kommandierende General, Walther Freiherr von Lüttwitz und, und Industrielle zusammen, um gegen die demokratisch gewählte Regierung der Weimarer Republik zu putschen.
Versailler Friedensvertrag und Putsch
Ursache war der Versailler Friedensvertrag, den sie als demütigend und inakzeptabel empfanden, weil er die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg besiegelte und unter anderem hohe Reparationen, Gebietsabtretungen sowie eine Verkleinerung der Armee verlangte und Deutschland die Alleinschuld am Krieg gab. Sie zwangen die demokratische Regierung dazu unterzutauchen. Der Putsch scheiterte, unter anderem weil sich die Putschisten uneins waren und Arbeiter, Angestellte und Beamte sie mit dem größten Generalstreik der deutschen Geschichte in die Knie zwangen.
Kultur als geistige Nahrung in entbehrungsreichen Zeiten
Immer wieder werden Politik, Kultur und Lebenssituationen verknüpft. Auch in Franken waren Nahrungsmittel knapp und die Zeit eine der Entbehrungen. Die lebendige und durchaus moderne Kunst- und Kulturszene sollte dafür geistige Nahrung liefern. Wie Evelyn Gillmeister-Geisenhof, die Kuratorin der Ausstellung erklärt, brauchte man "ja irgendwo ein Ventil, um so was auch darzustellen und rauszulassen." Kultur sollte Hoffnung machen, in diesen wirtschaftlich schwierigen und politisch aufgeladenen Zeiten der jungen Weimarer Republik.
Parallelen zur heutigen Zeit?
Gerade den Krieg wollten die Künstler den Menschen aus den Köpfen bringen und viele Kunstschaffende sahen den Pazifismus als einzige Lösung. Evelyn Gillmeister-Geisenhof sieht durchaus Parallelen der damaligen Zeit zu heute: "Man wundert sich manchmal", sagt die Kuratorin, "dass genau dieser Ablauf der damals gewesen ist, Eins zu Eins wiederkommt. Grundsätzlich, wenn wir das heute so sehen, wie es sich eigentlich entwickelt, wo einem, gerade wenn man sich damit auseinandersetzt, kalt dem Rücken runterlaufen kann."
Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum des Frankenbunds
"In dieser Zeit der Unsicherheit und der Sehnsucht nach Normalität wurde am 11. Oktober 1920 in Würzburg der Frankenbund gegründet", so die Kuratorin. Er hat sich seither die Pflege der fränkischen Geschichte und Kultur zur Aufgabe gemacht.
Anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums konzipierte der Frankenbund e.V. die Wanderausstellung. Sie wurde bereits unter anderem in Würzburg, Bamberg, Ansbach und Aschaffenburg gezeigt und gastiert nun im Heimatministerium in Nürnberg, in der Bankgasse 9. Dort ist sie bis zum 22. März zu sehen, geöffnet Montag bis Samstag von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
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