Als das Heimatministerium in Nürnberg am 20. Februar 2014 eröffnet wird, verspricht sich der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) einmal und sagt "Heimatmuseum". Er erntet darauf heiteres Gelächter. Mit manchem Lacher reagiert auch die politische Konkurrenz. Und zwar auf das erste Ministerium in Deutschland, das das Wort "Heimat" im Namen trägt, was nach Folklore und Volksmusik klingt.
Es sei in Wahrheit einfach ein Zugeständnis an Markus Söder (CSU) aus Nürnberg, dass er ein Ministerium mit einem Sitz in seiner fränkischen Heimatstadt bekomme, war zu hören. Denn Seehofer hat Söder zu Bayerns erstem Finanz- und Heimatminister in der Geschichte des Freistaats gemacht.
Nürnberger Amtssitz ein "geschätzter Veranstaltungsort"
In Nürnberg residiert das Heimatministerium in einem repräsentativen Gebäude mitten in der Altstadt nahe der historischen Lorenzkirche. 120 Menschen arbeiten in dem denkmalgeschützten vormaligen Bankhaus. Die Ministeriumszweigstelle ist aber nicht nur ein Amtsgebäude, sondern auch ein "geschätzter Veranstaltungs- und Besprechungsort für andere Organisationen, Ministerien und Behörden", teilt das Staatsministerium zum Jubiläum mit. Auch Sitzungen des bayerischen Regierungskabinetts fanden hier schon statt.
Und der Lorenzer Platz vor dem Amtssitz wurde seit der Ministeriumsgründung zu einem Ort, an dem gelegentlich auch demonstriert wird. So waren zum Beispiel schon Mitglieder der Finanzgewerkschaft, Hebammen, Naturschützer und Stromtrassengegner da.
Was bewirkt das Ministerium?
Doch erweist sich das Heimatministerium auch als politisch sinnvoll und wirksam? Söders Amtsnachfolger, der heutige Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU), meint: Ja. Und er sieht dafür viele Beweise. Erklärtes Ziel des Heimatministeriums ist es, gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in allen Regionen Bayerns zu schaffen. Dafür hat die bayerische Staatsregierung eine sogenannte Heimatstrategie erarbeitet. Außerdem hat sie den kommunalen Finanzausgleich so geändert, dass schwächere Regionen im Freistaat höhere Mittelzuweisungen bekommen als prosperierende Kreise und Kommunen
Dauerbaustelle Internet-Ausbau
Ein großes Thema ist schon seit der Gründung des Ministeriums der flächendeckende Ausbau des Internets. Hier, so der Oberpfälzer Füracker, sei "ein Riesen-Fortschritt" erzielt worden. "Vor zehn Jahren hatten zum Beispiel nur 27 Prozent der Haushalte im ländlichen Raum schnelles Internet, jetzt sind es schon weit über 90 Prozent", so der Minister im Gespräch mit BR24.
Am Internetausbau wird weitergearbeitet und muss es auch, räumt der Heimatminister ein. Der Oberbürgermeister von Schwabach, Peter Reiß (SPD), gibt ihm recht. Es brauche dort staatliche Unterstützung, wo Kommunen diese Aufgabe nicht selbst stemmen können, sagt Reiß zu BR24. Der Kommunalpolitiker hat noch ein weiteres Amt inne. Er ist Ratsvorsitzender der Metropolregion Nürnberg, einem Verbund von 23 Landkreisen und elf kreisfreien Städten in Nordbayern. Mittelfranken, Oberfranken, die Oberpfalz und Teile Unterfrankens gehören dazu. Da gibt es noch einige Flecken auf der Landkarte, die auf einen Glasfaseranschluss warten. Grundsätzlich seien für den Ausbau die private Kommunikationswirtschaft und der Bund zuständig, erklärt Füracker. Bayern habe dennoch freiwillig Fördermittel in Höhe von 2,4 Mrd. Euro gegeben. Auf Nachfrage schätzt der Heimatminister, dass es "etwa 2030" überall im Freistaat schnelles Internet geben wird.
Metropolregion: "Heimatministerium zentrale Anlaufstelle"
Für die Metropolregion Nürnberg sei das Heimatministerium "eine zentrale Anlaufstelle", für die "wir froh und dankbar sind", sagt Peter Reiß, der erst seit gut zwei Monaten der oberste Repräsentant des Regionalverbunds ist. Die Schaffung des Heimatministeriums sei "ein wertvoller Schritt, um die Region zu stärken", meint er und lobt die verschiedenen Förderprojekte. Um zügig an Gelder zu kommen, bewähre sich der dezentrale Ministeriumsstandort im nahen Nürnberg. Die Kontakte der Metropolregion zum Heimatministeriums seien "gut". Und das auch, wenn es um andere Themen gehe als den Netzausbau, zum Beispiel um Behördenverlagerungen.
Füracker: "Hälfte der Behördenverlagerungen erfolgt"
Die Verlagerung von Behörden aus der Landeshauptstadt München in die Fläche des Freistaats hat bereits der erste bayerische Heimatminister, der damals noch Markus Söder hieß, angestoßen. Vor allem strukturschwache Regionen sollen von der Dezentralisierung profitieren, heißt es in der 2015 verabschiedeten Heimatstrategie der Staatsregierung. Denn Behördenansiedlungen bringen Arbeitsplätze und Kaufkraft. Und sie sind laut dem aktuellen Heimatminister Füracker "eine Maßnahme", die den "Trend der Abwanderung" vom Land umkehren könne. Mit der Zwischenbilanz des Verlagerungsprozesses zeigt sich Füracker zufrieden: "85 Prozent der geplanten Projekte sind schon gestartet und rund die Hälfte ist schon abgeschlossen."
Mehr als 60 Behörden und staatliche Bildungseinrichtungen hätten mittlerweile an neuen Standorten ihren Dienst aufgenommen. So kam zum Beispiel das Landesamt für Schule ins mittelfränkische Gunzenhausen. In Amberg in der Oberpfalz wurde das IT-Servicezentrum der bayerischen Justiz angesiedelt. In den niederbayerischen Städten Zwiesel und Viechtach gibt es jetzt ein Grundsteuerfinanzamt.
"Wir können auf diese Weise schon etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Studierenden heimatnahe, wohnortnahe Arbeits- und Ausbildungsplätze bieten", sagt Füracker mit Blick auf alle bislang erfolgten Verlagerungen. Er wolle nicht haben, "dass qualifizierte, behördliche Arbeitsplätze Privilegien der Städte bleiben".
Behördenumzug: Nicht jeder will mitziehen
Angesichts mehrerer 100.000 Jobs, die es in Bayern im öffentlichen Dienst gibt, erscheint die Zahl 2.000 nicht gerade groß. Hinzu kommt, dass bei einigen der angekündigten Behördenumzüge noch Stillstand herrscht. Etwa, was die Verlegung einzelner Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach Ansbach angeht oder den Fachbereich Finanzwesen der Hochschule für öffentlichen Dienst, der eines Tages nach Kronach kommen soll. Medienberichten zufolge möchte das Personal ganz überwiegend lieber in München beziehungsweise Herrsching bleiben. Der Heimatminister sagt dazu, kein Mitarbeiter werde gezwungen umzuziehen. Man wolle den betroffenen Einrichtungen Zeit lassen und das Konzept "nicht im Hau-Ruck-Verfahren" umsetzen.
Der Ratspräsident der Metropolregion sieht darin eine Chance, dass an den neuen Ämterstandorten umso mehr Bewerberinnen und Bewerber aus der Region zum Zuge kommen könnten. Peter Reiß sagt BR24: "Ich glaube, wir haben da viele kluge Köpfe. Und deswegen können wir das Feld auch hervorragend bespielen. Gerade im Großraum München, wo natürlich auch Mieten und Lebenshaltungskosten ein Riesenthema sind, glaube ich, können wir hier noch einen angenehmen und gut funktionierenden Mittelweg bieten."
Autozuliefer-Industrie: Kommunen erwarten Hilfe beim Wandel
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für die Metropolregion Nürnberg die Unterstützung im Transformationsprozess der heimischen Wirtschaft. Neben der Digitalisierung, die schon beim genannten schnellen Internet anfängt, meint Reiß damit auch die Neuausrichtung der Autozulieferindustrie, die in der Metropolregion zu den großen Arbeitgebern zählt. Auch hier setzt Reiß neben der Unterstützung durch das bayerische Wirtschaftsministerium zusätzlich auf das Heimatministerium. "Da geht es intensiv darum, zu transformieren auf aktuelle und zukünftige Bedürfnisse. Da geht es um richtig viele Menschen und deren zukünftiges Arbeiten. Und ich erhoffe mir, dass das vom Freistaat genauso wie vom Bund auch in Zukunft unterstützt wird. Da werden wir das Heimatministerium als Fürsprecher brauchen."
Minister: "Können nicht mehr alles mit Geld allein regeln"
Heimatminister Füracker blickt im Gespräch mit BR24 hingegen auf einen anderen Bereich, in dem er mit seinem Haus bald etwas bewegen will. Er nennt den Gesundheitssektor, "auch wenn das Heimatministerium hier originär nicht zuständig ist". Dennoch will Füracker als nächstes die Krankenhäuser, die Notfallversorgung und den Hausärztemangel in den Fokus nehmen. Natürlich gemeinsam mit Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), merkt der Finanz- und Heimatminister an.
Füracker ist aber noch ein weiterer Hinweis wichtig. Nämlich, was die künftige Arbeit des Heimatministeriums angeht: "Wir werden in Zukunft nicht alles mit Geld alleine regeln können, sondern wir müssen auch definieren: Was ist dringend erforderlich? Diese Definition ist etwas, was in der nächsten Zeit strukturpolitisch eine große Herausforderung ist."
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