Erdstall
Bildrechte: BR/ Hannah Krewer

Erdstall

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Geheimnisvolles: Ungelöste Rätsel um Zwerge, Gräber und Gebeine

Waren es Zwerge, die sich tief in den Boden gegraben haben? Um Erdställe ranken sich viele Erzählungen. Aber auch andere Orte in Bayern, nicht zuletzt kirchliche, geben Rätsel auf. Manche wird man so schnell nicht lösen können.

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Als "Schrazellöcher" sind sie im Volksmund bekannt – die Erdställe, unterirdische Gangsysteme aus dem Mittelalter, deren Sinn und Zweck nicht herauszubekommen sind. Außer man glaubt den regionalen Sagen. Kleine Zwerge – so erzählt man sich etwa in der Oberpfalz – hätten sich dort in den Boden gegraben.

Zum Beispiel in der Rabmühle in Stamsried bei Cham: Es ist ein kleiner Hof am Waldesrand. Wer genau hinschaut, kann hier an einer Hangwiese eine Tür entdecken, die mitten ins Erdreich führt. Hinter ihr versteckt sich ein Erdstall, der extra für Besucher zugänglich gemacht wurde. Die verwinkelten und felsigen Gänge sind eng und an vielen Stellen so niedrig, dass man gebückt laufen muss. Ohne Helm darf hier niemand rein.

Was ein Erdstall überhaupt ist, sei gar nicht so leicht zu beantworten, erklärt Christoph Steinmann vom Landesamt für Denkmalpflege in Regensburg. Eher gehe es über das Ausschlussprinzip. "Können wir ausschließen, dass es ein Bergwerksstollen ist? Können wir ausschließen, dass es ein Stollen zur Wasserhaltung ist? Können wir ausschließen, dass es ein Zugang ist zu einem Keller oder eine Erweiterung von einem Kellerraum?"

Mysteriös: Wofür wurden Erdställe gebaut?

Viele Erdställe sind in etwa zwischen den Jahren 1050 und 1200 entstanden. Das weiß man von Funden wie Keramikscherben oder von Untersuchungen von organischem Material in Erdställen. Die meisten von ihnen gibt es in der Oberpfalz und in Niederbayern.

In Bayern vermutet man knapp 600 Erdställe, von denen gut die Hälfte noch erhalten ist. "Die Datierung fällt in eine Zeit, in der diese Gebiete strukturiert aufgesiedelt worden sind", sagt Christoph Steinmann. "Da befinden wir uns im Hochmittelalter." Die Frage nach dem Warum ist aber nicht zu beantworten. Waren die Erdställe als Lagerräume, Verstecke oder Kultstätten gedacht? Es gebe keine Aufzeichnungen, keine Bauanleitung. Was bleibe, sei das Faszinosum des Ungewissen, so Steinmann.

Das vermeintliche Grab der Seligen Edigna in Puch

Ungelöste archäologische Rätsel gibt es noch einige in Bayern. Etwa am kleinen Ort Puch im Landkreis Fürstenfeldbruck. In den 1970er-Jahren wurde ein leeres Grab in der Kirche entdeckt - das Grab der seligen Edigna, so wollte man glauben. Schließlich wurden deren Gebeine bereits in der Kirche verehrt. Allerdings: bestätigt wurde das nie und wird es wahrscheinlich auch nie, wie Jochen Haberstroh, Hauptkonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, erklärt: "Weil es ist in der Archäologie fast nie möglich, die Person eindeutig zu identifizieren, selbst wenn ein Skelett drin liegt."

In Puch lag nicht einmal ein Skelett darin. Möglicherweise war das vermeintliche Grab auch gar keins, sondern ein Aufbewahrungsort für Reliquien. Das zumindest meint Jochen Haberstroh beim Sichten alter Fotos. Denn die Maße seien ziemlich klein für ein Grab. Doch so genau will man das vor Ort offenbar nicht wissen: Die Geschichte ist zu schön.

Auch das Rätsel um die Katakombenheiligen bleibt ungelöst

Ähnlich verhält es sich auch mit den sogenannten Katakombenheiligen. In vielen Kirchen in Bayern sind sogenannte "Heilige Leiber" ausgestellt. Das sind Reliquien, die erst in der Zeit der Gegenreformation, also in der frühen Neuzeit, nach Bayern kamen.

Diese Skelette werden wohl nie zu identifizieren sein. Denn damals, im 16. Jahrhundert, als man durch Zufall die römischen Katakomben mit unzähligen Gräbern fand, hatte man kurzerhand alle menschlichen Überreste zu Heiligen gemacht. Biografien wurden erfunden, Kunstnamen erdacht, um die vermeintlichen Blutzeugen, Märtyrer der ersten Stunde, für die katholische Kirche nutzbar zu machen.

Dies immerhin wisse man, sagt Christoph Kürzeder, Direktor des Freisinger Diözesanmuseums augenzwinkernd: "Wir wissen auch, in welchem Zusammenhang diese Katakombenheiligen nach Bayern kamen." Es habe ab dem 16. Jahrhundert einen großen "Import" dieser Reliquien aus Rom nach Bayern gegeben. Die Zeit der Gegenreformation hat die Heiligen-Verehrung aus kirchenpolitischen Gründen und zur Abgrenzung gegenüber den Protestanten wieder besonders betont. Aber, das räumt Christoph Kürzeder dann doch ein: "Wenn wir die einzelnen Leiber identifizieren wollen, funktioniert das auf keinen Fall." Irgendwie also doch Rätsel für die Ewigkeit.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Newsletter abonnieren

Sie interessieren sich für Religion, Kirche, Glaube, Spiritualität oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie hier den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.