Die "verblasste Welt der Flipper" zu erkunden, ist eine reizvolle Idee. Zumal dann, wenn man wie der gebürtige Münchner Andreas Bernard in der eigenen Kindheit und Jugend mehr oder minder heimlich Kneipen und Bars aufgesucht hat, in denen die bunt blinkenden, surrenden und Glockentöne von sich gebenden Maschinen standen: Automaten wie der "Pinball Champ ʼ82", der "Paragon" oder der "Star Trek: Next Generation".
Gläserne Kästen, an denen es galt, mehrere Kugeln (Multiball!) im Spiel zu halten. Der Flipper – für den jungen Bernard ein Heilmittel, um die Tristesse zäher Nachmittagsstunden nach Schulschluss und vor dem Fußballtraining oder Musikunterricht zu durchbrechen. Im Gespräch mit dem BR sagt er: "Es war vielleicht die Kontrolle einerseits über diesen Ball, diese Kugel, dass sie macht, was man will, wenn man die Schläger betätigt, und auf der anderen Seite war es einfach die Schönheit dieser Automaten, die ein sehr angenehmes Gefühl hervorgerufen hat."
Im Flow des Spiels
Dass Andreas Bernard gerade im Alter zwischen elf und vierzehn Jahren vom Flipper-Spiel so fasziniert war, hätte der Medientheoretiker Friedrich Kittler alles andere als verwunderlich gefunden. Ende der Sechzigerjahre bereits notierte Kittler: "Das Stammpublikum der Flipper setzt sich zusammen aus jungen Leuten, die die soziale Bewährung fliehen oder denen keine Chance einer Bewährung geboten wird, und älteren Männern, deren Physiognomie ihr Gescheitertsein bezeugt."
Der Essay "Der Trost der Flipper" ist ein kurzes, melancholisch-kluges Buch, das ausgehend von eigenen Erfahrungen fragt, warum die Geschicklichkeits-Spielgeräte bis heute diese Anziehungskraft ausüben. Flippern kann etwas Meditatives haben, schreibt Andreas Bernard, man könne im Flow des Spiels darin versinken und schweben. Ein amerikanischer Autor habe vom "Pinball-Nirvana" geschrieben: "Jeder Spieler, der mal ernsthaft gespielt hat, kennt das, dass manchmal alles zu gelingen schien und die Kugeln lehrbuchhaft die Wege einnahmen, die man geplant hatte. Da hat man dann wirklich zwei, drei, vier Minuten wie im Nirvana gespielt, weil man als Spieler mit der Maschine verschmolzen ist."
Flipper wurden in den Vereinigten Staaten hergestellt, alle drei großen Fabriken – Bally, Gottlieb und Williams – standen in Chicago. 1979 verließen pro Tag tausend neue Geräte die Fabrikhallen – meistenteils nach Europa, weil Flippern in New York und anderen Städten der USA lange verboten war. Erst am 2. April 1976 demonstrierte Roger Sharpe, einer der einflussreichsten Spieler überhaupt, im Gerichtssaal von Manhattan mit einer Testvorführung am Automaten, dass es sich beim Flippern nicht um Glücksspiel handelt. Das Können steht im Vordergrund.
Der allmähliche Niedergang und seine Ursachen
Das Flippern sei "immer ein weißes Vergnügen" gewesen, schreibt der Kulturwissenschaftler Bernard. Wahrscheinlich sei diese Beschränkung "auch einer der Gründe, die zum Verschwinden der Apparate in den 80er und 90er Jahren beigetragen haben".
Im Gespräch erläutert er, was er damit meint. Wenn man heute in ein Flippermuseum gehe, würde man sehen, dass es an die vierzig Flipper gebe, die nach weißen Rockbands benannt worden sind: AC/DC, Guns Nʼ Roses, Kiss, Rush, Queen, Rolling Stons, Beatles – alles Motive von Flippern: "Es gibt keinen einzigen Hiphop-Flipper, keinen Rap-Flipper. Von den insgesamt 5000 Modellen haben ganze drei Modelle schwarze Protagonisten auf der Motivscheibe. Das ist meiner Ansicht nach einer der Gründe, warum die Maschine popkulturell verschwunden ist, denn gerade in den 90er-Jahren waren Rap und Hip-Hop die bestimmende musikalische Kultur, aber die Flipper-Industrie hat das ignoriert und sich weiter an diesem weißen, männlichen Rockstar orientiert." Ein noch mächtigerer Endgegner waren freilich die Videospiele, die dem Flipper den Garaus machten.
Noch heute werden Turniere gespielt
Man lernt einiges aus diesem Buch – auch, warum Schriftsteller wie Jörg Fauser, der "Flipperdielen" und sogar eine "Flipper-Moschee" in seinem Werk auftauchen ließ, oder dass Filmemacher wie François Truffaut begeistert waren vom Flipper.
Heutzutage sind Flipper die Leidenschaft einiger Nerds, die sich zu Wettkämpfen in abgelegenen Gewerbegebieten treffen, eines dieser Treffen beschreibt Bernard. Das Setting erinnert ihn ein wenig an Haruki Murakamis Roman "Pinball 1973". Darin geht es um die Flipper-Kollektion eines Sammlers auf einer Geflügelfarm am Rande Tokios, die "wie ein riesiges Kühlhaus" wirkt. Das sind so die Orte, an denen sich Flipper-Spieler heute versammeln.
In gewisser Weise passt diese Marginalisierung zur Maschine selbst. Ihr natürliches Habitat war immer schon die Randlage: Was heute die Outskirts der Städte sind, wo sich die Flipper-Spieler treffen, waren früher die Ecken in den Kaschemmen nah bei der Toilette. Der Flipper fristet seit jeher ein Nischendasein. "Durch diese Turniere komme ich tatsächlich an Orte, an die ich sonst vermutlich nie hingekommen wäre", erzählt Andreas Bernard.
Renaissance des Flippers analog zu dem der Schallplatte?
Da er das Schicksal der Flipper mit dem der Schallplatte vergleicht, liegt die Frage nahe, ob nicht wie bei den Vinyl-Pressungen ein Revival des Flippers bevorsteht. In den USA sei das "Pinball Revival" gerade eine große Sache, so Bernard: "Ich war gerade ein paar Monate in den Vereinigten Staaten. Interessanterweise gibt es da neue amusement arcades, und interessanterweise wird die Wiederentdeckung des Flipper-Spiels sehr stark von Frauen betrieben. Pinball ist ein sehr stark weibliches Hobby geworden, was die Sache auf jeden Fall lebendiger macht."
Andreas Bernard: "Der Trost der Flipper". Klett-Cotta. 120 Seiten. 20 Euro
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