Als der am 28.09.1924 geborene Edgar Feuchtwanger fünf Jahre alt war, zog gegenüber Adolf Hitler ein. Mit seinen Eltern lebte Edgar damals in der Grillparzerstraße in München. Von dort konnte er das Treiben rund um Hitlers Privatresidenz am Prinzregentenplatz beobachten. Vor zwei Jahren schilderte Feuchtwanger im Phoenix-Interview eine Begegnung, als er mit seinem Kindermädchen spazieren ging: "Wir kamen vor der Haustür von Hitler vorbei, und da kam er zufällig gerade raus, ganz normal gekleidet, wie er sich sonst nie sehen ließ. Wieso er herauskam, weiß man nicht. Vielleicht ging er zum Zahnarzt, der übrigens auch mein Zahnarzt war."
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Nachbar Hitler – darüber schreibt er auch ein Buch
Edgar Feuchtwanger veröffentlichte später eine Autobiografie mit dem Titel "Als Hitler unser Nachbar war". Wichtige Politiker suchten Adolf Hitler damals in München auf. Wie der britische Premierminister Neville Chamberlain, der lange hoffte, Hitler durch Annäherung einbinden zu können. Edgar Feuchtwanger erinnert sich, dass Hitler lange unterschätzt wurde: "Ein Schreihals in Münchner Bierkellern, der zu Leuten spricht, die sowieso schon halb betrunken sind. Aber wenn das alles gewesen wäre, dann wäre es ja nicht so gekommen. Leider war Hitler in vielen Beziehungen ein äußerst kluger Mann, der moderne Gesellschaften verstand und dafür ja auch vielerseits bewundert wurde."
Edgars berühmter Onkel Lion Feuchtwanger, der mit Romanen wie "Jud Süss" bekannt geworden und ein lautstarker Kritiker der Nazis war, hatte sich schon 1933 ins französische Exil zurückgezogen. Kontakt zu ihm hatte Edgars Familie kaum: "Man musste sehr vorsichtig sein. Man darf ja nicht irgendwelche Briefe von ihm bekommen. Das wäre sehr gefährlich gewesen."
Der Vater wird verhaftet, die Familie flieht
In der Pogromnacht 1938 wurde Edgars Vater Ludwig verhaftet. Nach seiner Freilassung gelang es der Familie, sich für viel Geld Einreisevisa für Großbritannien zu sichern. Die Flucht empfand der damals 14-jährige Edgar als wenig dramatisch: "Ich war der Neffe von Lion Feuchtwanger, der ja in England sehr bekannt war. Und ich war nie, wie möchte ich sagen, in sehr bedrückter Weise ein Flüchtling."
Edgar Feuchtwanger studierte in Cambridge und lehrte später Geschichte an der Uni in Southampton. Er schrieb unter anderem Bücher über die deutschen Wurzeln der britischen Monarchie und den britischen Premierminister Disraeli. 1981/82 führte ihn eine Gastprofessur an die Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mit seiner Frau Primrose war Feuchtwanger bis zu ihrem Tod 2012 fünfzig Jahre lang verheiratet, sie zogen drei Kinder groß. Dauerhaft nach Deutschland zurückgezogen habe es Edgar nie: "Zurückkehren hätte ich nicht wollen. Dazu war ich hier viel zu fest etabliert. Aber mit Deutschland habe ich dann viele Kontakte gehabt und dafür ist mir ja das OBE gegeben worden."
Feuchtwanger, Historiker UND Zeitzeuge
Für seine Verdienste um die englisch-deutsche Verständigung wurde Feuchtwanger nicht nur mit dem britischen OBE-Orden ausgezeichnet, dem "Order of the British Empire", sondern auch mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz. Ein hundertjähriger Historiker als Zeitzeuge, der angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine resigniert feststellen muss, dass Geschichte nicht immer nur fortschrittlich ist: "Also ich finde das ganz aus der Zeit gefallen. Man hatte den Eindruck, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Und das war natürlich eine Täuschung."
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