Warum heißt das Musical eigentlich "Der Kleine Horrorladen"? Na klar, weil die Welt da draußen der "Große Horrorladen" ist. So sahen es jedenfalls die meisten Künstler der 1960er-Jahre, auch der Filmregisseur Roger Corman, der mit seinen effekthascherischen Gruselgeschichten und Western in die Kinogeschichte einging ("Heiße Colts und schnelle Pferde"). Mit dem "Horrorladen" machte er sich über den amerikanischen Kleinbürgertraum lustig, in der Vorstadt eine Immobilie von der Stange zu kaufen und dort zwischen Linoleum und Rollrasen ein unauffälliges Dasein zu fristen.
"American Dream" hat kein Happy End
Wer kann es der hier gezeigten Belegschaft eines heruntergekommenen Blumenladens auch verdenken, dass alle Beteiligten nur noch raus wollen aus dem Dreck? Kunden kommen nur sporadisch, die Kasse bleibt leer. Sogar die Kresse welkt vor sich hin. Mr. Mushnik, der einfallslose Inhaber, will zusperren. Sein Angestellter Seymour ist es gewohnt, ausgenutzt und gegängelt zu werden und Audrey, die melancholische Aushilfe, hat ganz andere Sorgen: Sie wird regelmäßig von Freund Orin vermöbelt und kann sich trotzdem nicht von ihm lösen.
Erst eine sonderbare Pflanze eröffnet diesem Sozial-Biotop Perspektiven: Audrey II, das fleischfressende Monster, das wie der Mephisto in Goethes "Faust" die Lösung aller Probleme verspricht – vorausgesetzt, sie bekommt regelmäßig einen nahrhaften Menschen zum Abendessen vorgesetzt. Ein Teufelspakt, der natürlich kein Happy End haben kann, wie der ganze "American Dream", dem nicht nur Roger Corman, sondern auch die Musicalmacher Alan Menken und Howard Ashman zutiefst misstrauen. Wer sich den Erfolg erkauft, hat bei ihnen schon verloren, aber nicht, weil das Kaufen so fatal wäre, sondern weil diese Art von oberflächlichem Erfolg so verwerflich ist: Titelseiten, Foto-Shootings, Tourneen und allerlei Medienrummel.
Grünes Männchen vom Mars
Dean Wilmington inszeniert das auf der Open Air-Bühne im Theater an der Rott in Eggenfelden schön trashig als Science-Fiction in der näheren Zukunft von 2032 - das Bühnenbild von Florian Angerer könnte so auch in irgendeinem Hinterhof in Nürnberg oder München stehen – obwohl: Dort gibt es ja (fast) keine "Glasscherbenviertel" mehr, sondern allenfalls Gentrifizierungs-Areale mit Rendite-Potenzial. Die Skid Row dagegen, in der Audrey II ihr Unwesen treibt, erinnert eher an Teile von Gelsenkirchen oder Berlin-Neukölln. Hier will jeder weg, und sei es mit Hilfe von Rattengift, Revolver oder Klinge.
Regisseur Wilmington verweist im Gespräch mit dem BR darauf, dass die gefräßige Audrey II normalerweise angemietet wird: Eine mechanische Konstruktion, die äußerlich an eine Venusfliegenfalle erinnert und von einem Puppenspieler bedient wird. In Eggenfelden sieht Audrey II deutlich spaciger aus, wie eines dieser grünen Männchen vom Mars mit Antenne auf dem Kopf, die sich im Fünfzigerjahre-Kino herumtrieben. Das Verderben kommt also aus dem All.
Lachgas und verrosteter Bohrer
Dustin Smailes ist ein rundum sympathischer und vor allem lebensnaher Seymour, der sich zwar anfangs in "ethischen Abwägungen" verheddert, aber aus Liebe dann doch zum Kriminellen und Karrieristen wird. Yvonne Köstler spielt eine kreuzbrave Audrey, die ihre Sehnsüchte nicht an die große Glocke hängt und einen fatalen Hang zur Wiedergeburt als Pflanze entwickelt. Demut als Laster! Norman Stehr gibt einen mürrischen Mr. Mushnik, der nur an Geld glaubt, das allerdings leidenschaftlich. Sonderapplaus bekam Manuel Dengler als sadistischer Zahnarzt Orin, der sich mit einer Lachgas-Maske in die richtige Stimmung versetzt, bevor er den verrosteten Bohrer zur Hand nimmt.
Ja, das erinnert tatsächlich an Brechts "Dreigroschenoper", wie auch dem Programmheft zu entnehmen ist: Ein Lehrstück über die Unzulänglichkeit menschlichen Strebens, allerdings als Pop Art.
Bis 14. Juli auf der Theaterwiese vor dem Theater an der Rott in Eggenfelden.
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