Giorgio Armani läuft nach seiner Show in Tokyo 2020 mit erhobenen Händen und strahlend über den Laufsteg, die Zuschauer applaudieren
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Giorgio Armani nach seiner Show in Tokyo 2020

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Italienische Mode-Legende: Giorgio Armani wird 90

Italienische Mode-Legende: Giorgio Armani wird 90

Der italienische Modemacher Giorgio Armani ist ein König in der Modewelt. Abgedankt hat er auch mit 90 noch nicht, das Zepter hält er fest in seiner Hand. Anders als Gucci, Yves Saint Laurent oder andere Modemarken, ist Armani unabhängig geblieben.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Wenn etwas in der Mode überdauert, dieser Welt der flüchtigen Erscheinungen, dann ihr Esprit, ihr Geist, ihre Haltung. Und kaum einer hat in diesem mörderischen Business einem Verschwinden so widerstanden wie Giorgio Armani. Vermutlich nur noch Karl Lagerfeld.

Gedeckte Farben, fließende Stoffe

Armani sagt von sich selbst, er habe die Mode revolutioniert. Aus heutiger Sicht war es eher eine Implosion – in die Radikalität einer Eleganz, die lässig war, minimalistisch, diskret. Kein Auftrumpfen, sondern Stille. In gedeckten Farben, Blau, Beige, Grau, Sand und Crème, selbst entworfene, feinstgewebte Stoffe, die zu Boden flossen und dem Körper eine Linie verliehen; ganz einfach sah das aus, selbstverständlich, modern.

In den 1980er-Jahren trugen riesige Plakate in der Modemetropole Mailand die Modelle von Giorgio Armani in den öffentlichen Raum hinein. Ein Sinnbild auch für den Stellenwert der italienischen Mode, ihr Selbstbewusstsein und ihre Strahlkraft. Zwei Designer bestimmten das damalige Lebensgefühl: der ausschweifend barocke Gianni Versace und der Purist Giorgio Armani. Im Grunde ist er auf seiner Suche nach Eleganz im Rückblick fündig geworden: in Filmen oder im Elternhaus, wie Armani 1990 dem Hollywood-Regisseur Martin Scorsese erzählt für dessen Dokumentation "Made in Milan".

Die Weltkarriere begann mit einem Schnitt

1975 gründete der ehemalige Schaufensterdekorateur und Herrenschneider für Nino Cerutti sein eigenes Unternehmen, das er nach dem Tod seines Partners Sergio Galeotti als Designer und Manager in einer Hand weiterführte. Armani erfand den Herrenanzug neu. Schnitt das Futter raus und tilgte auch sonst alles Steife, was aus dem Anzug eine Rüstung machte: Schulterpolster, Knopfleisten, Kragen, darunter trug man T-Shirt und verströmte den Sexappeal von Richard Gere, der sich in „American Gigolo“ aus einem Schrank voller Armani-Anzüge bediente.

Für die Frauen verwandelte Armani diesen Stil in weiche Eleganz, stattete sie mit Hosen und Jacken aus, in denen sie sich wie in einer zweiten Haut bewegen konnten, mit "disinvoltura", erzählte er dem Hollywood-Regisseur Martin Scorsese, also in zwangloser Lässigkeit und zugleich auf Augenhöhe in der Arbeitswelt einer Leistungsgesellschaft. Eine Mode der Gleichberechtigung.

Weltmarke mit diskretem Glamour

Über Jahrzehnte blieb Armani sich treu – und seinem Unternehmen, das er bis heute nicht an der Börse notiert oder an einen Luxuskonzern verkauft hat. Wo andere, jüngere Modedesigner in ein Burnout oder wenigstens in Verzweiflung geraten sind, ließ Giorgio Armani – gletscherblaue Augen und Silberhaar – seinen tiefengebräunten, aber diskreten Glamour glitzern, als geschehe das Entwerfen einer Weltmarke wie nebenbei, von seinem Zweit- oder Fünft-Domizil auf der Mittelmeerinsel Pantelleria oder von seiner Luxusyacht aus.

Das Imperium hat sich ausgeweitet wie eine Duftwolke: neben den Modelinien Kostüme für Theater, Opern und Hollywood, Uniformen für Fluglinien und Fußballvereine, Luxushotels in Dubai und Milano, durchdesignt vom Duschkopf bis zur Teppichfluse, vom Praliné bis zum Blumenarrangement. Spartanisch ist das nicht mehr – und auch nicht revolutionär. Doch die Mode ist ohnehin kein Metier für Altersvisionen. Eines zeigt Armanis Welt auf jeden Fall, auch als mit BungaBungaBerlusconi eine Welle der Vulgarität über Italien zog: Schönheit bedeutet auch Widerstand.

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