Der russische Präsident blättert durch eine blaue Mappe
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Putin studiert Datenmaterial

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"Kühe einschüchtern": Machte der Krieg Putin "sehr schwach"?

"Kühe einschüchtern": Machte der Krieg Putin "sehr schwach"?

Russlands Präsident sei ideologisch und wirtschaftlich bankrott, sein Image als "starker Mann" habe sehr gelitten, so ein renommierter Experte. Ein Politologe vermutet: "Die meisten Russen bevorzugen es, ihr Heimatland mit vollem Magen zu lieben."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

💡 Peter Jungblut beobachtet für BR24 Kultur die Debatten hinter den Meldungen rund um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dazu verfolgt er russische Medien, Telegram-Kanäle und Social Media, und wertet die Einschätzungen / Stimmen dort dazu feuilletonistisch aus und ordnet ein. So zeigen wir, wie Millionen Menschen innerhalb der russischsprachigen Welt über die Ereignisse diskutieren.

Der im lettischen Riga lehrende Wirtschaftsexperte Peter Zaschew urteilte kürzlich in der "Moscow Times", einem Exil-Blatt, das in Amsterdam erscheint, äußerst ungnädig über Wladimir Putin. Russland sei mittlerweile "schwach, sehr schwach", so die Analyse, und der Präsident versuche immer verzweifelter, über sein Unvermögen hinwegzutäuschen.

Dem Kreml fehle es an einer Ideologie: "Putin und 1.000 andere Menschen plündern ihr Land im großen Stil aus und bezahlen für die Unterstützung und Loyalität von 100.000 untergebenen Sklaven, die ihren Wohlstand wiederum mit weiteren 10 Millionen teilen. Alle anderen müssen schweigen und betteln gehen. Gier und Korruption sind keine Ideologie, sondern ein politisches System, das ohne Ideologie auskommt und äußerst instabil ist."

"Hinter ihnen röchelt klappriges Auto"

Zaschew behauptet, Putins Anhänger seien ausschließlich materiell orientiert und drohten abhanden zu kommen, wenn das Geld ausbleibe. Im Übrigen sei das Image des "starken Mannes" am Bröckeln, seit der Präsident nicht in der Lage sei, ukrainische Truppen aus der russischen Region Kursk zu verdrängen.

Außerdem drohe der Zusammenbruch der Wirtschaft, wie einst der UdSSR am Ende des Kalten Kriegs: "Putin investiert Geld in den Krieg und die Gefallenen. Das beschleunigt die Inflation. Was sollte uns das alles sagen? Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass [Außenminister] Lawrows betont ernstes Gesicht oder Putins vorgetäuschtes selbstbewusstes Verhalten große Bluffs sind. Sie wollen aus einer Position der Stärke heraus sprechen, doch hinter ihnen röchelt ein extrem klappriges Auto, in dem es verdächtig klopft, beißend raucht, tropft, das undicht zu sein scheint."

"Unangenehmste Art von Wirtschaftskrise"

Nun ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass Experten, die im Baltikum beheimatet sind, Russland äußerst kritisch sehen. Doch auch innerrussisch mehren sich die skeptischen Stimmen. Kommunisten-Chef Gennadi Sjuganow warnte gar vor der "Instabilität des Systems", da rund vierzig Prozent der Bevölkerung unzufrieden sei. Nationalistin Elena Panina zeterte, Russland habe zwei "Verbündete", nämlich Armee und Marine, aber auch einen Widersacher: die Zentralbank [die die Zinsen auf 21 Prozent angehoben hat, dem höchsten Stand seit 2003].

Polit-Blogger Anatoli Nesmijan (116.000 Fans) ist mit vielen anderen Beobachtern überzeugt, dass Russland auf eine kriegsbedingte "Stagflation" zusteuert, also auf eine Kombination von Stagnation und Inflation: "Das ist eine der unangenehmsten Arten von Wirtschaftskrisen, da es sich im Wesentlichen um ein Szenario zweier Krisen unterschiedlicher Natur handelt, die sich gegenseitig verstärken. Daher gibt es keine vorgefertigten Rezepte, um aus der Situation herauszukommen." Mit "klinisch auffälligen Idioten" in der Regierung werde das umso schwerer. Immerhin sei das Regime noch in der Lage, dem Sterben einen Sinn zu geben, wenn schon nicht dem Leben.

"Missverständnis des Establishments"

Politologe Ilja Graschtschenkow meinte skeptisch: "Die Illusion der Macht liegt vielleicht darin, dass einige dort immer noch davon überzeugt sind, dass die Hauptursachen für soziale Unruhen bestimmte 'Rädelsführer' aus dem liberalen Lager sind."

Tatsächlich werde Putin jedoch die dramatische Geldentwertung gefährlich, auch wenn nicht unmittelbar Massenproteste drohten: "Ein weiteres Missverständnis des politischen Establishments besteht darin, dass sich die Menschen niemals lange um die Fahne scharen. Die meisten Russen haben nichts dagegen, ihr Heimatland zu lieben, bevorzugen jedoch, es mit vollem Magen zu tun. Das Konzept 'den Gürtel enger schnallen' scheitert früher oder später."

"Geisterhaftes Licht"

Der in London lehrende Exilant Wladimir Pastuchow höhnte, die Putin-Ära sei in etwa so moribund wie die untergegangene UdSSR, "nur von rechts". Mit einem Zitat aus dem Musical "Chicago" scherzte der Politikprofessor, rechts sei dasselbe wie links, "nur ohne Abendessen", also ohne materielle Mindestversorgung: "Wenn diese Ära noch schimmert, dann nur im reflektierten Licht der alten sowjetischen Kultur, durch Menschen, die in Kunst, Wissenschaft und Technologie direkt oder indirekt mit ihr verbunden sind. Wenn dieses geisterhafte Licht erst einmal erlischt, erlischt alles."

Der kremlkritische Ökonom Igor Lipsitz verwies darauf, dass manche Fachleute Putins Position für deutlich stärker halten als die UdSSR in ihrer Endphase, weil es in Russland keine Kommandowirtschaft mehr gebe, sondern Marktwirtschaft. Gerade die werde jedoch derzeit vom Kreml stark eingeschränkt. Angesichts der Milchknappheit spottete der Wirtschaftsfachmann, jetzt werde die russische Justiz demnächst wohl die "Kühe einschüchtern".

Mehrere russische Oligarchen, die sich anonym gegenüber dem US-Portal "Bloomberg" äußerten, warnten vor "alarmierenden strukturellen Veränderungen" in der Wirtschaft, schlossen einen Kollaps des Landes jedoch vorläufig aus: "Die Sowjetunion ertrug jahrzehntelange wirtschaftliche Not, bevor sie schließlich zusammenbrach."

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