Szene aus dem Comic "Das Orakel spricht" von Liv Strömquist
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Arbeit am Ego - "Das Orakel spricht" von Liv Strömquist

Arbeit am Ego - "Das Orakel spricht" von Liv Strömquist

In ihrem Comic "Das Orakel spricht" beschäftigt sich die schwedische Zeichnerin Liv Strömquist mit der Ratgeber- und Selbstoptimierungs-Wut in den sozialen Medien. Und analysiert auf scharfsinnige Weise Leben und Leiden im späten Kapitalismus.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Die großen gesellschaftlichen Fragen haben Liv Strömquist schon immer interessiert. Sie zeichnete und schrieb über die Situation von Frauen, ebenso über die Liebe im Kapitalismus oder über die große Sehnsucht vieler Menschen nach astrologischen Deutungen. In "Das Orakel spricht" beschäftigt sich die in Lund geborene Künstlerin mit der großen Lust an der immerwährenden Selbstoptimierung. Ein Aspekt dessen: die Neigung, permanent Ratschläge zur erteilen.

Meghan und die Bananen-Botschaften

Da ist zum Beispiel die Geschichte von Meghan, der Herzogin von Sussex. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Prostituierte in Bristol sollte sie – damals noch Teil des britischen Königshauses – Lebensmitteltüten packen. Sie griff dabei zum Edding und beschrieb – knarz, knarz – Bananen, mit Sätzen wie "You rock!" oder "Work hard". Liv Strömquist zeichnet diesen albernen Auftritt in ihrem Comic. Und denkt in vielen Sprechblasen und Bildern, darüber nach, warum es ein so großes Bedürfnis gibt, Ratschläge und Weisheiten zu verkünden.

"Vielleicht hat das weniger mit der Notwendigkeit zu tun, Ratschläge zu erteilen", sagt Liv Strömquist im Interview mit dem BR. "Sondern viel eher damit, dass es sich gut anfühlt, das zu tun. Schauen Sie sich mal die Wissens-Verkünder im Internet an. Da sieht man, es ist so schön, anderen Menschen Ratschläge zu geben. Und vielleicht helfen sie sich damit selbst – und sind deshalb gerne Autoritäten für andere Menschen."

Bildrechte: Emil Malmborg
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Die schwedische Zeichnerin Liv Strömquist

Hautpflege-Routine und Alpha-Männer

Der Comic "Das Orakel spricht" ist eine immer wieder witzige Spiegelung einer Gesellschaft im Zeichen permanenter Selbstoptimierung und -reflexion und ebenso im Konsum-Rausch. Eine dankbare Quelle für die Geschichten: die Sozialen Medien. Der wilde Bilder-Reigen beginnt mit einer mehrseitigen Hautpflege-Routine-Session einer Influencerin. An anderer Stelle und bizarr: die Botschaften von Rollo Tomassi aus der "Manosphere" – ein Tutorial für Alpha-Männer.

Bild um Bild verkündet dieser Internet-Apostel seine kruden Theorien über die Unterordnung der Frau und die damit angeblich immerwährende Liebe. Liv Strömquist erinnert daran, dass Leute wie er Millionen Follower haben. "Deshalb ist es wichtig, sie kritisch zu betrachten, auch wenn sie vielleicht wie Figuren am Rand wirken. Das sind sie aber nicht. Die 'Manosphere' hat großen Einfluss auf das Leben junger Menschen. Es prägt ihr Denken."

Soziologen als Comic-Helden

Es bleibt aber nicht bei der bloßen Abbildung dieser digitalen Auftritte. Liv Strömquist verbindet sie mit vielen soziologischen Theorien und ihren Erfindern. Darunter Hartmut Rosa, der die Beschleunigung als Kennzeichen der Gegenwart betrachtet. Auch er wird zur Comic-Figur und erzählt, was die Moderne ausmacht: die Vorstellung, der Wunsch, das Begehren, die Welt verfügbar zu machen – darunter auch – siehe Tomassi – die Liebe.

Liv Strömquists Comic "Das Orakel spricht" ist im Avant-Verlag Berlin erschienen, in der Übersetzung von Katharina Erben.

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