Es hat zuletzt wieder Rekordmeldungen auf dem Kunstmarkt gegeben: Die "Dame mit Fächer" von Gustav Klimt erreichte in London bei einer Auktion von Sotheby’s 86 Millionen Euro. Ein Europarekord. Aber auch ein ganz besonderes Bild: Nicht nur attraktiv, sondern auch das Letzte, das der Wiener Secessionsmeister Klimt vor seinem Tod fast zu Ende gemalt hat. Am Sterbetag des Malers stand es noch auf der Staffelei.
Deutsche zurückhaltend beim Steigern
Die Vögel und Blüten im Hintergrund der dargestellten Frau erinnern stark an Muster aus der asiatischen Kunst, weshalb sich steinreiche Chinesen um das Kunstwerk duellierten. Rupert Keim, Chef des Münchner Auktionshauses Karl und Faber und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Kunstversteigerer, bestätigt die weltweite Vernetzung des Kunstmarktes: "Für uns war in dieser Saison auffällig, dass die Bieter aus den USA, Japan, Italien und Frankreich relativ betrachtet stärker vertreten waren als in den vergangenen Auktionen. Deutsche Bieter hielten sich im Vergleich dazu mehr zurück."
Werke für die wirklich Reichen
Doch auch in Deutschland gab es erstaunlich viele Auktionserlöse in Millionenhöhe, wenn auch keinen neuen Rekord. Aber 6,4 Millionen Euro für ein "Mädchen mit Zopf" des Blauen Reiters Alexej von Jawlensky können sich schon sehen lassen. Am ersten Auktionstag herrschte euphorische Stimmung beim Münchner Auktionshaus Ketterer. Weitere vier Gemälde gingen in den siebenstelligen Bereich. Doch das sind halt auch Werke für die wirklich Reichen. Egal ob sie sie tatsächlich in ihre Villen hängen oder sie lieber verpackt in Luftpolsterfolie in einem Zollfreilager wegschließen, um sie nach weiteren Wertsteigerungen wieder mit Gewinn zu verkaufen. "Durch unser internationales Angebot in der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst stammen mittlerweile die Mehrheit unserer Bieter aus dem Ausland. Wie bereits im Dezember 2022 war auch im Juni dieses Jahres fast ein Drittel unserer Kunden Erstkäufer. Das zeigt uns, dass Ketterer Kunst bei den internationalen Sammlern als Alternative gesehen wird – sowohl für den Verkauf als auch für den Kauf", sagt Nicola Gräfin Keglevich, Senior Director bei Ketterer.
Rezession bremst Kauflust des Mittelstands
Die beginnende Rezession beeinflusse allerdings – so Rupert Keim von Karl und Faber– das Kaufverhalten ihrer Kunden aus dem unternehmerischen Mittelstand. Das Wachstum des deutschen Auktionsmarktes der letzten Zeit gehe insbesondere auf die höheren Umsätze im sechs- und siebenstelligen Bereich zurück. Häufig habe es sich um ausländische Bieter gehandelt.
Rupert Keim vermisst also den heimischen Mittelstand in seinen Karl und Faber-Auktionen. Genauso kann man auch den zweiten Tag der erst so fantastisch verlaufenden Ketterer-Versteigerung beschreiben: Da gab es in München-Riem plötzlich ein ganz anderes Bild. Von 123 Kunstwerken gingen fast die Hälfte, nämlich 50, zurück, weil sie ihre Schätzpreise nicht erreichten. Hier wurde die sogenannte Mittelware verhandelt: Kunstwerke von namhaften Künstlerinnen und Künstlern, die auf Werte zwischen 5.000 und 50.000 Euro taxiert worden waren.
Das bildungsbürgerliche Sammeln nimmt ab
Was sieht man an diesem Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Auktionstag? Kunstwerke, die exemplarisch sind, einmalig, Weltklasse, finden mühelos ihre Käufer, mit sehr viel Geld, oft auch im Ausland. Aber der deutsche Mittelstand hat nach Pandemie, Krieg, Gas- und Stromkosten ein gestiegenes Problem, sich noch Kunst leisten zu können. "Das sogenannte bildungsbürgerliche Sammeln nimmt allerdings ab", sagt Rupert Keim. "Damit meine ich, dass Kunden, die eher in rein akademischen Berufen beheimatet sind, aufgrund der allgemeinen Teuerung weniger Geld für den Kunstkauf zur Verfügung haben, es sei denn, sie haben geerbt."
Das ist kein rein deutsches Problem: Der Auktionsriese Christie’s beklagt im ersten Halbjahr 2023 einen Umsatzverlust von enormen 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das Londoner Auktionshaus Phillips kündigte nach einem Umsatzverlust von einem Drittel gerade an, statt auf zeitgenössische Kunst mehr auf Schmuck und Juwelen setzen zu wollen. Für Rupert Keim, den Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer, liegt für den deutschen Kunsthandel die größte Hoffnung im Auftauchen außergewöhnlicher Objekte.
Wenn die deutschen Auktionshäuser es aber schaffen, Kunstwerke zu akquirieren, die für den internationalen Markt spannend sind, dann wird es auch in Zukunft ganz gut laufen. Abgesehen davon, verkauft sich Kunst deutscher Künstler in Deutschland immer noch am besten, auch wenn die Märkte dafür allgemein etwas an Dynamik verlieren.
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