Sie sind Handwerker, stolz auf ihr Können. Auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto von 1934 sind sie vor der Kirche ihrer Heimatstadt Langenzenn zu sehen, mit der von ihnen geschmiedeten neuen Wetterfahne. Ein brandenburgischer Adler, ein Stern, ein Stab, eine Kugel. Die fünf Schmiede präsentieren ihr gelungenes Werk. Sie hätten es nicht nötig gehabt, sich bei den neuen Machthabern anzubiedern. Aber sie machen es trotzdem. Auf die Wetterfahne ritzen sie zwei Hakenkreuze.
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Bei Restaurierung wurden Hakenkreuze nicht entfernt
Über Jahrzehnte lebten die Langenzenner quasi unter dem Hakenkreuz, erklärt der zweite Vorsitzende des Heimatvereins, Roland Schönfelder. Er hat die Ausstellung rund um die Wetterfahne zusammen mit der Vorsitzenden Gudrun Nasa erarbeitet. 1945 seien zwar alle Nazi-Symbole in der Stadt entfernt worden, doch die Wetterfahne sei vergessen worden. Besonders unbegreiflich empfindet Roland Schönfelder aber das Verhalten der Stadt und der Restauratoren 1979. Damals kam die Wetterfahne zum Vergolden in die Werkstatt. Die Hakenkreuze blieben. Über sie wurde noch nicht einmal diskutiert. Auch beim Festakt blieben die Nazi-Symbole unerwähnt. Der Heimatforscher wundert sich. "Da war der Bürgermeister dabei, da waren namhafte Vertreter der Stadt dabei, die Fahne wurde an den Bürgern der Stadt vorbeigetragen", berichtet Schönfelder.
Auf dem Kirchturm thront jetzt eine Replik
Roland Schönfelder aber wusste von den Hakenkreuzen. Mit einem Fernglas waren sie vom Boden aus problemlos zu sehen. Als die Kirche 2018 saniert wurde, sprach er mit den Verantwortlichen, und die gingen offen mit dem Thema um. Der Heimatverein lud zu Vorträgen und informierte. Die Original-Wetterfahne blieb im Heimatmuseum – auf dem Kirchturm hängt nun eine Replik. Die Regierung von Mittelfranken hat das angeordnet. Roland Schönfelder hätte lieber eine ganz neu gestaltete Wetterfahne gehabt. Oder noch lieber ein Kreuz – schließlich ist es ein Kirchturm.
Drei der Schmiede fielen im Zweiten Weltkrieg
Wie weit die Verblendung ging, zeigen die Notizen auf der Tageszeitung, die die Handwerker in die Kugel der Wetterfahne als Zeitdokument einlegten. "Wir folgen unserem Führen bis in den Tod", schrieb Schmied Georg Heindel in Sütterlinschrift. Zehn Jahre später wurde das Versprechen eingefordert: Drei der Heindel-Brüder fielen im Zweiten Weltkrieg. "Das lässt mich schaudern", sagt Schönfelder.
Idee zu Ausstellungen kam von Autor Fritz Stiegler
Sieben Heimatvereine und Museen beteiligen sich an der Ausstellungsreihe über die NS-Zeit im Landkreis Fürth. Zwei Jahre haben sie vor Ort geforscht, Ausstellungsstücke gesucht, Dokumente gesichtet. Den Anstoß dazu gab Fritz Stiegler, Landwirt und Autor aus dem Cadolzburger Ortsteil Gonnersdorf. Warum haben alle mitgemacht? Die Frage treibt ihn um. "Alle haben gemerkt, dass die jüdischen Kinder nicht mehr in die Schule gehen durften, dass sie weniger wurden", sagt Stiegler. "Alle haben die vollgeschmierten Scheiben gesehen und die Schilder an den Dorfeingängen: Deutsche kaufen beim Deutschen."
"Vergangenheit muss ans Licht"
Fritz Stiegler ist es wichtig, dass die Menschen heute aus der Vergangenheit lernen. Denn Geschichte könne sich wiederholen. Die Alarmzeichen seien da: Zehn Prozent AfD, der Versuch, den Reichstag zu besetzen, Querdenker-Demos oder die Banalisierung des Dritten Reichs als "Fliegenschiss der Geschichte" – Stiegler macht sich große Sorgen um die Demokratie.
"Die Vergangenheit, die muss sowas von ans Licht, das ist so wichtig. Weil wir lernen müssen draus. Wir sehen ja jetzt, was in Russland passiert, 80 Prozent der Leute wissen nicht, dass das ein offener Krieg ist in der Ukraine. Wir haben es ja mitgemacht in Deutschland, das Gleiche, was in Russland passiert, das Allergleiche, dass die Leute so benebelt werden und dass es dann irgendwann kein Rückwärts mehr gibt." Schriftsteller und Landwirt Fritz Stiegler
Schulalltag in der Nazizeit: Kinder werden indoktriniert
Wie im Dritten Reich schon die Kleinsten verführt wurden, zeigt auch die Ausstellung über den Schulalltag im Nationalsozialismus im Museum Zirndorf. Eine Zeichnung mit der Aufschrift "Sudetenland ist frei, Führer befiehl, wir folgen dir", Aufsätze über angeblich "lebensunwerte" Menschen oder Bilder vom "hässlichen Juden", wie sie die Nazis verbreiteten – die meisten Exponate stammen aus der Schulzeit einer Frau aus Zirndorf. Es sei ihr wichtig zu zeigen, dass das Dritte Reich nicht nur in den großen Städten oder in Berlin stattfand, sagt Museumsleiterin Christine Lorber, "sondern in jedem Ort, in jeder Stadt, in jeder Kleinstadt, eben auch in Zirndorf, und dass das alle Teile des Lebens durchdrungen hat."
💡 "Mitgemacht?" NS-Zeit im Landkreis Fürth
Die nächste Ausstellung der Reihe "Mitgemacht" über Nationalsozialismus im Kinderzimmer wird am Freitag, 13. Mai um 18.00 Uhr im Heimatmuseum Cadolzburg eröffnet. Die Ausstellung über die Langenzenner Wetterfahne ist bis auf Weiteres jeden 1. Sonntag von 14.00-16.00 Uhr im Heimatmuseum zu sehen. Die Ausstellung über den Schulalltag in der NS-Zeit im Städtischen Museum Zirndorf schließt am 15. Mai.
Weitere Informationen finden Sie hier.
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