Als die Schröder-Biografie von Gregor Schöllgen, damals Geschichtsprofessor an der Universität Erlangen, im Jahr 2015 erschien, lag die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland bereits ein Jahr zurück. Dennoch bewertete Schöllgen Schröders gut bezahlten Job bei der Gazprom-Tochter Nord Stream AG in der Biografie als "goldrichtig". Die Kritik an Schröders Kontakten zu den Mächtigen in Moskau, so schrieb Schöllgen, sei "sicher nicht haltbar".
Exklusivrecherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers und der Zeitung "Die WELT" werfen jetzt die Frage auf, ob diese positive Bewertung rein wissenschaftliche Gründe hatte. Wenige Monate nach Erscheinen der Biografie, Anfang 2016, soll die Universität Erlangen eine Spende von einem schwerreichen Würzburger Textilunternehmer erhalten haben. Der wiederum pflegte engen Kontakt zu Schröder, engagierte sich im Jahr 2005 für dessen Wiederwahl und verfolgte geschäftliche Interessen in Russland. Nach Informationen von "Kontrovers" und "Welt" tauschten sich Schröder und Schöllgen über die Zahlung an die Universität aus.
Umstrittener Geschichtsprofessor
In der Fachwelt ist Schöllgen umstritten. Er soll in einem speziellen – der Uni Erlangen angegliederten – Zentrum für Angewandte Geschichte (ZAG) ganz offen die Veröffentlichung von historischen Biografien als "Dienstleistung" offeriert haben. Mit Schöllgens Emeritierung im Jahr 2017 wurde auch das ZAG geschlossen. Simone Derix ist Schöllgens Nachfolgerin am Lehrstuhl an der Universität Erlangen. Sie hält Auftragsforschung für problematisch, weil die kritische Distanz in Frage steht – auch in der Schröder-Biografie: "Die Knackpunkte bestehen in den starken Wertungen, die nicht immer durch eine multiperspektivische Analyse abgesichert sind. Und das ist aus wissenschaftlicher Perspektive ein Problem."
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Spende wird nicht dementiert
Hat sich der Altkanzler absichtlich einen Biografen gesucht, der bei seiner historischen Forschung bereits zuvor wegen angeblich mangelnder Distanz in die Kritik gekommen ist? Und: Was hat es mit der Spende an die Universität Erlangen auf sich? Auf Anfrage erklärt die Universität: "Die Namen von Spenderinnen oder Spendern sowie gespendete Summen werden aus Gründen der Vertraulichkeit nicht an Dritte weitergegeben oder öffentlich genannt."
Sie verneint die Spende aber auch nicht ausdrücklich. Hintergründe seien bei Professor Schöllgen selbst zu erfragen. Schöllgen wiederum bestätigt oder dementiert eine Spende nicht, betont aber auf Anfrage von Kontrovers: "Drittmittel hatten zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf meine Darstellungen und Deutungen historisch-politischer Sachverhalte." Gerhard Schröder und auch der mit ihm in Verbindung stehende Textilunternehmer äußerten sich nicht.
Nachfolgerin kritisiert Schöllgen
Klar ist: Eine Zahlung an die Universität wird den neuen Hinweisen zufolge kurz nach Erscheinen der auffallend positiven Schröder-Biografie von Schöllgen selbst erwähnt. Schöllgen-Nachfolgerin Derix kritisiert an der Biografie die fehlende fachlich korrekte Herangehensweise: "Grundsätzlich wertet das Buch die Russlandpolitik Gerhard Schröders als Erfolg und auch als dessen Erfolg. Das ist aus meiner Sicht eine politische Bewertung. Das ist eine Frage, die wir uns wissenschaftlichen nicht stellen würden, ob etwas ein Erfolg ist und ob das richtig ist."
Späte Distanzierung von Schröder
Anfang 2021 veröffentlichten Schöllgen und Schröder sogar ein gemeinsames Buch mit dem Titel "Letzte Chance". Auch hier: keine Kritik an Putin. Er sei "kein Hasardeur", die Annexion der Krim und die Eröffnung des Krieges in der Ostukraine 2014 seien für Putin einfach "eine Reaktion auf die westlichen Offensiven vor der russischen Haustür" gewesen, heißt es im Buch.
Erst nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine distanziert sich Professor Schöllgen öffentlich von Schröders Verhalten. Dass der Altkanzler "nach dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht eindeutig auf Distanz zu Wladimir Putin gegangen" sei und seine Funktionen im russischen Wirtschaftsapparat nicht niederlegte, sei "nicht akzeptabel", schrieb Schöllgen auf seiner Webseite: "Dass er jetzt schweigt, ist tragisch."
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